Blut ist dicker als Schminke
trotzten. Ein Blick auf die gelassene Sicherheit in ihrem
Gesicht reichte aus, mir das unbehagliche Gefühl zu geben, daß ich derjenige
sein mußte, der den Verstand verloren hatte.
»Was für ein Kostüm trug Chase
auf der Party ?« fragte ich.
»Dasselbe, das er trug, als Sie
ihn sahen, Leutnant.« Ihre Brauen hoben sich ein klein wenig. »Oder haben Sie
schon vergessen, wie die Leiche ausgesehen hat ?«
»Ein Clown«, sagte ich mit
erstickter Stimme. »Haben Sie noch jemanden auf der Party gesehen, der ein
Clownskostüm trug ?«
»Ich glaube nicht .«
»Mir hat aber jemand erzählt,
daß zwei Clowns auf dem Fest waren .«
»Natürlich!« Sie schnitt eine
Grimasse. »Ein brillanter Einfall. Eine bessere Maske hätte er sich gar nicht
aussuchen können .«
»Oh, gewiß«, brummte ich.
»Brillant. Nur, von wem sprechen wir eigentlich ?«
»Von Ludovic natürlich.«
»Wieso von Ludovic ?« fragte ich.
»Wenn auch er als Clown
verkleidet war, dann ist er bestimmt keinem Menschen auf der Party aufgefallen,
oder? Ich meine, wer ihn sah, mußte glauben, er hätte Alton vor sich. Richtig?«
»Außer, er unterhielt sich im
fraglichen Moment gerade mit Alton«, gab ich schneidend zurück.
»So dumm wäre Ludovic nie
gewesen«, sagte sie in einem Ton, wie man ihn einem sehr kleinen Kind gegenüber
anschlägt, wenn es nicht richtig aufpaßt. »Ja, und jetzt wird Ihnen wohl nichts
anderes übrigbleiben, als Ludovic unter Mordverdacht festzunehmen, nicht wahr,
Leutnant ?«
5
In meiner Wohnung war natürlich
alles vorbereitet. Die Beleuchtung war auf ein schmeichelndes Minimum
reduziert, die Langspielplatten lagen schon auf dem Plattenspieler. Ein Druck
mit dem Zeigefinger, und die Klänge schmelzender spanischer Gitarren perlten
aus den fünf Lautsprechern. Da bis jetzt noch niemand das sich selbst füllende
Glas erfunden hat, mußte ich Isobel Maruman trotzdem im Wohnzimmer allein
lassen, während ich in die Küche ging, um die Drinks zu mixen.
Als ich zurückkam, stand sie
noch immer in der Mitte des Wohnzimmers, den Kopf zur Seite geneigt. Sie trug
ein schwarzes Crêpekleid mit gelben und orangefarbenen Applikationen, ohne
Ärmel. Das Oberteil bestand aus zwei Schals, die gerafft vom Hals bis zur
Taille reichten und gerade noch ihre kleinen, festen Brüste verhüllten. Die
schlanke Taille wurde durch einen breiten Lackgürtel betont. Von der Taille
floß der Rock in weichen Falten hinunter auf ihre Knöchel. Es war weniger ein
Kleid als eine Art ständiger Mahnung, für den Fall, daß man — wenn auch nur
einen Moment — vergessen sollte, daß man Verführung im Sinne hatte.
Ich stellte die Gläser auf den
kleinen Tisch vor meiner überdimensionalen Couch und richtete mich wieder auf.
»Eine interessante Wohnung«,
bemerkte sie mit sachlicher Stimme.
»Interessant ?« fragte ich.
»Sie haben mir gar nicht
verraten, daß Sie nur nebenbei Polizist sind .«
»Würden Sie das noch einmal
sagen? Dann verstehe ich es vielleicht«, erwiderte ich verdattert.
»Ich meine«, erklärte sie,
»nach der Einrichtung dieser Wohnung zu urteilen, müssen Sie ein
professioneller Verführer sein .«
»Oh, lassen Sie sich davon
nicht stören«, entgegnete ich. »Ich gehe immer nach der indirekten Methode vor.
Etwa so: Warum ziehen Sie sich nicht aus? Sie zerknittern sich sonst höchstens
das Kleid .«
»Ich glaube, ich setze mich
erst einmal und trinke einen Schluck«, erwiderte sie und ließ sich auf dem Sofa
nieder. Sie deutete auf den Sessel gegenüber. »Sie setzen sich dorthin, während
wir unsere Cocktails trinken und höflich Konversation machen .«
»Aber, aber, Frau
Rechtsanwältin, das klingt ja, als wären Sie nervös .«
»Vielleicht bin ich es .« Sie lächelte langsam. »So ganz ohne Richter und
Geschworene bekomme ich allmählich den Verdacht, daß das hier die letzte
Instanz ist und Sie ein Mann sind, der sich weigern wird, mich ausreden zu
lassen .«
»Ich verführe nie eine Frau,
die nicht verführt werden möchte«, sagte ich. »In erster Linie deshalb, weil
sie dann schneller rennen kann als ich.«
»Ihre Gedanken scheinen sich
auf einer Einschienenbahn zu bewegen .« Sie ergriff ihr
Glas und musterte aufmerksam den Inhalt, als hätte sie mich in Verdacht, dem
Alkohol ein Liebeselixier beigemischt zu haben. »Können wir nicht von etwas
anderem sprechen ?«
»Wir könnten über George
plaudern«, meinte ich. »Wie ist es ihm denn bei seinem zweiten Beutezug im
Warenhaus ergangen
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