Blut Licht
leise auf. „Du zeigst Schneid, Faye. Das ist gut, du wirst ihn brauchen.“
„Für was auch immer“, murmelte ich und setzte eine entschlossene Miene auf. „Sag, was du zu sagen hast.“
Sie ließ meine Hand los, trat vor mich und blickte mir direkt in die Augen. Dabei legte sie ihre Hände an meine Schläfen und meinte: „Ich werde es dir zeigen.“
Erneut brachen Bilder über mich herein. Diesmal jedoch langsamer, sortierter. Zunächst sah ich sie nur verschwommen, bis die Bruchstücke klarer wurden und sich, wie ein zügig ablaufender Stummfilm aneinanderreihten.
Ich erschrak, als ich erkannte, was Lilith mir zeigte. Darian. Entkleidet, schmutzig und verloren inmitten des kahlen Feldes. Vor ihm der Kerl, der ihn zu dem gemacht hatte, was er nun war: ein Wesen aus Schatten.
Plötzlich ein Szenenwechsel. Ich erblickte zunächst kahle Wände, rau und grob, wie in kaltes Gestein gehauen. Dann sah ich ihn. In zerfetzte Gewänder gehüllt kauerte Darian in der Ecke einer engen Zelle ohne Licht. Seine helle Haut zeigte deutliche Spuren von Misshandlung und sein blondes Haar hing ihm strähnig und verdreckt vor dem Gesicht. Flackernder Fackelschein erhellte kurz das triste Loch. Zwei Männer traten auf ihn zu. In einem machte ich abermals den Mann mit der schwelenden Wunde quer über der Brust aus. Er trug das Mal wie eine Trophäe, offen sichtbar für jeden.
Mein Herz wurde schwer, als ich sah, wie Darian sich mit angsterfüllter Miene gegen die kahle Wand presste und dem Mann auszuweichen versuchte. Es war sinnlos. Ahjarvir riss ihn am Schopf in die Höhe. Er betrachtete ihn hämisch und bellte einen Befehl, woraufhin zwei weitere Gestalten den Raum betraten. Sie ergriffen den Gefangenen, fesselten dessen Hände mit einem rauen Strick auf dem Rücken und zerrten ihn hinaus. Sie stießen ihn mehrere Stufen hinauf, bis sie einen großen Raum erreichten, der mir vage bekannt vorkam. Oh mein Gott, natürlich! Es war jener Raum, den ich bereits einmal in einer Vision gesehen hatte. Der, wo ich durch den Luftschacht gekrochen war. Instinktiv blickte ich hinauf und suchte danach. Ja, dort oben, links über mir. Dort hatte Lilith mich entdeckt und nach einer stummen Warnung zurückgeschickt.
„Du erinnerst dich also“, vernahm ich Liliths Stimme und nickte. „Allerdings. Warum hast du mich damals nicht verraten?“
„Was hätte es mir gebracht?“, entgegnete sie mit einer Gegenfrage, deren Antwort ich kannte: Nichts.
Dann konzentrierte ich mich weiter auf die Bilderflut. Ich machte Lilith aus, die mit einem langen, hellen Gewand bekleidet majestätisch auf einer kleinen Anhöhe neben einem steinernen Altar stand und den Männern entgegen blickte. Diese trieben den Gefangenen wie Vieh vor sich her, stießen ihn grob vorwärts, bis sie die Frau erreicht hatten. Da versetzte einer der beiden auf Ahjarvirs Geheiß hin dem Gefangenen einen Tritt in die Kniekehlen und stieß ihn mit dem Fuß in den Rücken, was ihn mit dem Gesicht voran vor Lilith in den Staub schickte. Mein Herz begann bei diesem Anblick zu bluten, und als er nun langsam zu ihr aufblickte und ich die Trauer in seinem Blick sah, schnürte es mir die Kehle zu. Ich bemerkte kaum, wie mir die Tränen über die Wangen liefen, denn weiterhin blieb mein Geist an das Geschehen gefesselt.
Ich verstand nicht, was Lilith zu ihm sagte. Ich las nur ihre Gestik. Sie beugte sich zu ihm hinab, umfasste sein Kinn und sah ihn prüfend an. Kurz darauf richtete sie sich wieder auf und in ihre Augen trat ein Ausdruck, der manch kühnen Mann zur sofortigen Flucht veranlasst hätte. Jedoch nicht Ahjarvir. Dieser Kerl wies lediglich mit einem angedeuteten Lächeln auf Darian und sprach einige Worte. Danach verbeugte er sich vor ihr und ging einige Schritte rückwärts, um sich anschließend umzudrehen und den Raum zu verlassen. Unschlüssig sah Lilith auf den Mann zu ihren Füssen hinab, dann winkte sie zwei leicht bekleidete Frauen herbei, die sich sofort um ihn kümmerten. Sie halfen ihm auf, lösten seine Fesseln und stützten ihn auf dem Weg hinaus.
Verdutzt blinzelte ich. Lilith hatte ihm schon damals geholfen. Aus welchem Grund?
Ich kam nicht dazu, ihr diese Frage zu stellen, denn weitere Bilder zogen an mir vorbei. Eine Szene rührte mein Herz besonders. Darian lag bäuchlings auf einer schmalen Pritsche. Sein Haar glänzte vor Nässe und glitzernde Wassertropfen überzogen seinen muskulösen Körper. Mit einer tönernen Schale in der Hand stand Lilith neben
Weitere Kostenlose Bücher