Blut Licht
sinken und meinen Blick über Arya wandern. Er wirkte, als würde er schlafen. Sein Brustkorb hob und senkte sich selbstständig in gleichmäßiger Atmung. Zumindest wurde er nicht mehr künstlich beatmet - ein Fortschritt. Sein Haar war komplett mit einem Turban aus Mullbinden bedeckt, der sich über die linke Gesichtshälfte erstreckte. Ich konnte darunter eine deutliche Schwellung ausmachen, die auch sein Auge in Mitleidenschaft zog. Es war vollkommen angeschwollen und blutunterlaufen. Seine Lippen waren ebenfalls dick und rissig.
Unter der dünnen Bettdecke machte ich einen Verband um seinen Oberkörper aus. Hatte Darian nicht einige Rippenbrüche erwähnt? Mein Blick glitt über seine auf der Decke liegenden, nackten Arme. Auch hier machte ich deutlich sichtbare Verletzungen aus. Dann blieb mein Interesse an seinen Händen hängen und ich schluckte trocken. Eindeutige Abwehrverletzungen. Seine Knöchel waren aufgeplatzt und inzwischen verschorft. Ebenfalls sah es danach aus, als habe er sich die rechte Hand gebrochen, sie war geschient.
Arya hatte sich mit aller Kraft gegen die Grobschlächter gewehrt, und doch nicht die geringste Chance gehabt. Kein normaler Mensch wäre gegen die beiden hohlen und vermutlich mit Steroiden vollgepumpten Schränke angekommen, schon gar nicht ein so schmächtiger Bursche.
Würde ich nicht genau wissen, dass es sich hier im Bett um den persischen Jungen handelte, hätte ich ihn nicht erkannt. Ich konnte mich beinahe glücklich schätzen, dass ich im Gegensatz zu ihm glimpflich davongekommen war.
Was hätten die Kerle erst mit Kahina angestellt, wenn die Beiden sie statt meiner in die Fänge bekommen hätten? Oh mein Gott! Ich mochte mir gar nicht ausmalen, was mit ihr geschehen wäre, wenn sie dem blassen, unterernährt wirkenden Diätassistenten der bissigen Fraktion begegnet wäre, der meiner bescheidenen Meinung nach eher in einen Aschenbecher denn in einen maßgeschneiderten Anzug von Armani gehörte. Nein, die ungewollte Verwechselung machte bei genauerer Betrachtung durchaus einen Sinn. Nämlich den, dass zumindest Kahina unversehrt geblieben war.
Je mehr ich Arya betrachtete, desto schlechter wurde mir. Er dürfte hier nicht liegen. Niemand von uns sollte hier liegen müssen. Mir war schlagartig zum Heulen zumute, denn hier trafen Illusion und
Wirklichkeit auf brutalste Weise aufeinander.
„Mach dir keine Sorgen, Faye. Er erhält die bestmögliche medizinische Versorgung. Zudem sieht es schlimmer aus, als es in Wahrheit ist“, meinte Darian mich neben dem Liebkosen meiner Hand auch wörtlich beruhigen zu müssen.
Als wenn das an der eigentlichen Situation etwas ändern würde. Dennoch rang ich mir ein gequältes Lächeln ab.
„Bleiben wir, bis er aufwacht und transportfähig ist, oder reisen wir vorher ab?“
Ich blickte auf und gewahrte meinen Bruder mit zwei dampfenden Bechern im Türrahmen stehen. Der Geruch von frischem Kaffee zog in meine Nase und ließ mich angeregt schnuppem. Da trat er ein und überreichte einen der beiden Pappbecher an Kahina. „Denk nicht mal daran, Faye. Wenn du einen willst, latsch selbst in die Kantine und hol dir einen. Im Übrigen riechen die ohnehin besser, als dass sie schmecken.“
„Er wird aufwachen, bevor wir abreisen“, antwortete Darian und legte seine Hand auf die von Arya. „Und er wird recht bald erwachen.“
Als Kahina nun aufsah, spiegelte sich Hoffnung in ihrem Blick. „Kannst du ihn wieder gesund machen, Malaeke ?“
Wieso bediente sie sich auf einmal wieder dieses Wortes? Bevor ich nachhaken konnte, hatte Darian seine Augen geschlossen und wirkte überaus konzentriert. Dann aber öffnete er die Lider und schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein, zumindest nicht so schnell. Sein Körper braucht, ebenso wie sein Geist eine Zeit der Ruhe und Regeneration. Seine Heilung ist sehr kräftezehrend, Kahina. Wenn ich dem vorgreifen würde, hätte das für ihn unabsehbare Folgen, möglicherweise könnte es sogar den Tod bedeuten. Manche Dinge brauchen ihre Zeit, doch sei versichert, dass er währenddessen in den besten Händen sein wird. Ich habe bereits veranlasst, dass eine entsprechende Fachkraft mit persischen Sprachkenntnissen aus London herkommt und sich um ihn kümmern wird.“
Was er nicht sagte ... Ich versah meinen Mann mit einem scheelen Seitenblick. Schön, wenn er Arya helfen konnte. Warum konnte er das nicht bei sich tun? Insbesondere, wenn er es selbst mehr als nötig zu haben schien.
Seine Hand
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