Blut Licht
hatte Unrecht, dir und deinem Vater die Schuld daran zu geben. Es war auch nicht recht von mir, dir wegen deiner Hochzeitspläne zu zürnen. Ich war nur so maßlos enttäuscht. Irgendwie hatte ich immer davon geräumt, dass meine Töchter in Weiß hier im Rom heiraten würden. Durch Julies Tod und deine Entscheidung wurde meine Hoffnung endgültig zerstört. Ich weiß, es war sehr egoistisch von mir. Es war deine Hochzeit und du, oder ihr, du und dein wunderbarer Mann, hattet zu entscheiden, was ihr wo und wann tun wollt. Ich bedaure, dass ich es verpasst habe. Zu gern hätte ich dich in deinem wunderschönen Kleid vor dem Altar stehen sehen. Wahrscheinlich wäre ich vor Stolz geplatzt.“
„Mum ...“ Mir versagte die Stimme und Nässe verschleierte meinen Blick.
„Es ist gut, mein Kind. Ich weiß es doch längst. Hach, dass man immer erst im Alter gescheiter wird ...“ Sie lächelte unter Tränen und legte mir eine Hand an die Wange. „Ich liebe dich, Tochter. Vielleicht konnte ich es dir nie wirklich zeigen. Vielleicht habe ich nicht einmal gewusst, wie ich es anstellen sollte. Es ist schon merkwürdig. Du musstest erst selbst Mutter werden, damit mir klar wird, was ich an dir versäumt habe.“ Noch einmal lächelte sie, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste mir die Wange. „Lass niemals zu.
dass deiner Tochter das angetan wird, was ich dir antat, Faye. Lass niemals zu, dass dein Kind eines Tages mit anklagendem Blick vor dir steht und dir ohne Worte all die fehlenden Jahre vorwirft, die du nicht für sie da gewesen bist. Lass das bitte nicht zu, Faye. Es macht so unendlich viel kaputt. Dazu ist die kurze Zeit, die wir hier auf Erden haben, einfach zu kostbar. Ich weiß das jetzt... Ach verflixt. Komm her.“
Ungeachtet dessen, dass ich meine Mutter locker um zwei Kopflängen überragte, begab ich mich schluchzend in ihre geöffneten Arme. Dann sanken wir gemeinsam auf das große Bett und hielten einander lange fest. Unterschwellig bekam ich mit, wie Darian kurz hereinsah und dann leise hinter sich die Tür schloss. Doch in diesem Augenblick war nichts anderes mehr wichtig als das Gefühl, meine Mutter zurückerhalten zu haben.
Eine Weile saßen wir nur fest umschlungen da und ließen die Tränen laufen. Dann schaffte ich es, an den kleinen Kosmetiktuchspender an meiner Bettseite zu gelangen und einige der Tücher herauszuziehen. Ich überreichte meiner Mutter mehrere Lagen und schmunzelte, als sie sich wie ich geräuschvoll die Nase putzte. Nachdem eine weitere Lage Tücher dafür sorgte, dass unser Make-up unwiederbringlich dahin war und nur noch dunkle Streifen auf Wangen und direkt unter den Augen von ihrem einstigen Nutzen zeugte, begannen wir gleichzeitig zu kichern.
„So verschmiert geben wir ja ein herrliches Bild ab.“ Mutter nahm ein neues Tuch und versuchte auf meinem Gesicht die gröbsten Schäden zu beheben. Dann ließ sie ihre Hand sinken und schüttelte den Kopf. „Ohne Wasser und Seife ist das ein nutzloses Unterfangen. Es wird bloß schlimmer.“
„Wir haben hier sogar ein Bad.“ Ich erhob mich und reichte ihr eine Hand. Sie ließ sich aufhelfen und wir schlichen nach einem prüfenden Blick auf meine friedlich schlafende Tochter aus dem Schlafzimmer.
Wenn wir gedacht hatten, unbemerkt in das Bad zu gelangen, hatten wir uns getäuscht. Sowohl mein Mann, als auch mein leiblicher Vater lehnten neben der Schlafzimmertür an der Wand und grinsten uns wortlos an. Kichernd und mit gesenkten Köpfen huschten wir an ihnen vorbei, in das Bad hinein. Dort brachen wir abermals in Gelächter aus und Mutter öffnete den Wasserhahn, während ich die Tür abschloss.
„Ernestine erzählte mir, dass du und dein Mann weiter in den Nahen Osten reisen wollt“, meinte sie und reichte mir wie nebenbei einen seifigen Waschlappen. „Ist es dort derzeit nicht zu gefährlich?“ „Es kommt darauf an, wohin man reist. Der Nahe Osten ist groß“, umging ich eine direkte Antwort, wusch mir das Gesicht und blickte ihr dann im Spiegel entgegen. „Es wird mir schon nichts geschehen, Mum.“
Sie nickte, reinigte sich ebenfalls das Gesicht und spülte den Lappen aus. Dann hielt sie inne und warf mir einen unsicheren Blick zu. „Ist es für dich in Ordnung, wenn dein Vater und Ernestine zusammen mit der Kleinen eine Weile bei uns bleiben? Ich habe sie in unser Strandhaus eingeladen, denn ich würde schon gern eine Weile mit meiner Enkelin verbringen-vorausgesetzt, du erlaubst es.“ „Natürlich,
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