Blut Licht
Wenigstens gab es so viel Kaffee wie ich wünschte.
Zwischen dem Biss ins Marmeladenbrötchen und einem Schluck Kaffee zogen Alistair und ich die Bilder des gestrigen Abends von der Kamera auf die Festplatte meines Laptops, um sie anschließend an das E-Mail-Postfach meiner Mutter zu senden. W-LAN im Hotel war schon eine tolle Sache.
Entgegen der Hochzeitsbilder konnte diesmal sogar Darians Abbild mit Anwesenheit glänzen. Es war schon ein merkwürdiges Gefühl, ihn auf einem Foto zu sehen, was vor einem Jahr noch nicht möglich gewesen war. Da hatte ich auf einem Bild direkt in der Luft geschwebt, obwohl er mich in der Realität auf den Armen gehalten hatte. Was genau bewirkte, dass er nun auf Lichtbildern zu sehen war, konnte ich nicht sagen. Sicher aber war, dass es irgendwie mit seinen Veränderungen zusammenhing. Eine für meinen Geschmack etwas zu allgemeine Bezeichnung für etwas Unerklärliches.
Die letzte Stunde verbrachten Darian und ich zusammen mit Lilianna auf der Terrasse. Als hielte mich ein innerer Zwang gefangen, musste ich jeden Moment zwischen Vater und Tochter auf Bildern festhalten. Er trug sie auf allen Vieren wie ein Pferd auf dem Rücken durch die Gegend, während ihr fröhliches Lachen von den hohen Wänden widerhallte und das leise Klicken meiner Kamera übertönte. Dann hockte er neben ihr auf dem Boden und stapelte ein letztes Mal die Bauklötze übereinander. Indes wartete sie mit gespannter Miene darauf, das Werk endlich umwerfen zu können. Der Auslöser der Kamera klickte fleißig.
Ehe ich mich versah, war es fast Mittag und der Zeitpunkt des Abschieds von meinem Kind rückte näher. Ebenso wie der Abschied von diesem Hotel. Ein letztes Mal lud ich die Bilder von der Kamera auf meinen Laptop, dann packte ich auch diese Dinge ein. Die Kameratasche kam zum Koffer meines Vaters, der Laptop in mein Handgepäck. Dann klopfte auch schon der Hotelpage, um unsere Koffer hinab in die Lobby zu bringen.
Ein letztes Mal benutzte ich den Aufzug, hielt Lilianna dabei im Arm und hatte das Gefühl, die Fahrt hinab ging doppelt so schnell wie sonst. Als die Tür aufglitt, standen Ernestine und meine Mutter lächelnd vor mit. Sie war absolut pünktlich. Irgendwie hätte ich mich über eine Verspätung gefreut.
„Dein Vater und Darian laden die Koffer in den Wagen, wir können also gleich aufbrechen. Ich habe sogar einen Kindersitz besorgt“, erfuhr ich von meiner freudestrahlenden Mutter und rang mir selbst ein Lächeln ab. „Prima, dann ist sie im Wagen sicher.“
Weil sie mir ihre Hände erwartungsvoll entgegenstreckte, überreichte ich ihr, schweren Herzens, meine Tochter. Ein pflichtschuldiger Kuss auf die Wange meine Mutter folgte, dann ein wehmütiger Kuss auf die Stirn meiner Tochter. Mein Lächeln wirkte leicht gequält, als ich ihr über das Haar strich und ihr anschließend nachwinkte, während meine Mutter sie aus dem Hotel und zum Wagen brachte, um sie für eine unerträglich lange Zeit aus meinem Leben zu tragen. Tapfer verkniff ich mir ein paar Tränen, ließ mich von Dad und Ernestine umar-men und wünschte ihnen einen schönen Urlaub.
„Kümmerst du dich bitte um unsere Rechnung, Faye?“
Darians Frage verwirrte mich. Für gewöhnlich übernahm er solche Dinge. Diesmal offenbar nicht, denn er wandte sich um und verließ mit Jason zusammen die Lobby. Folglich trat ich auf den Hotelangestellten hinter dem langen Tresen zu und nannte unsere Zimmernummern. Zu meiner Überraschung hatte der junge Mann die Rechnung bereits ausgedruckt und überreichte sie mir zusammen mit der Frage nach der Zahlungsmodalität.
Barzahlung kam kaum infrage, denn ich hatte ohnehin nur recht selten größere Summen bei mir. Als ich die Endabrechnung erblickte, war mir klar, dass ich solche Summen ohnehin niemals in bar bei mir tragen würde. Nicht einmal in einem verschlossenen und an mein Handgelenk angebundenen Koffer.
Geschockt starrte ich noch einmal auf diese immense Summe und verkniff mir die Nachfrage, ob sie tatsächlich stimmen würde. Mit zittrigen Fingern suchte ich aus meiner Börse die Kreditkarte heraus, die Darian mir kurz nach unserer Eheschließung überreicht hatte. Dann gab ich dem jungen Mann das schwarze Plastik, das er schwungvoll durch einen Kartenleser zog und mir zusammen mit einem Ausdruck zurückgab. Eine Unterschrift später hatte ein Batzen Geld den Besitzer gewechselt und nach einem freundlichen: „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag und beehren Sie uns bald
Weitere Kostenlose Bücher