Blut muss fließen
ursprünglichen »Race War«-Besetzung blieben nur zwei Personen aktiv: der Sänger namens Max Hirsch und der Gitarrist Gerhard M., der Headbanger statt Hautkopf war, aber dafür sein Instrument besser beherrschte, als es bei vielen musizierenden Skinheads der Fall ist. Obwohl im Fadenkreuz deutscher Ermittler, fühlten sich die beiden in Frankreich sichtlich sicher: Sie traten im Unterschied zu ihrem Aushilfsschlagzeuger ohne Sturmhaube auf.
Wie bei den vorangegangenen Konzerten war die Band am 4. Oktober 2003 nicht angekündigt worden. Und im Nachhinein schwiegen die Konzertbesucher, was die konspirative Combo mit den neonazistischen Liedern betraf, die in Deutschland strafbar sind. In Internetforen wie dem des Wikingerversandes war höchstens von den »Backstreet Boys« die Rede. Und als doch jemand den richtigen Namen schrieb, griff sofort ein Moderator als Zensor ein: »Die Band sollte unbekannt bleiben«, erklärte er. Auf diese Weise sollten die »Race War«-Auftritte vor der Polizei geheimgehalten werden.
Die Musiker waren auf diese Vertraulichkeit angewiesen. »Wer ›Race War‹ fotografiert, fliegt raus«, hieß es beispielsweise bei einem von Blood & Honour veranstalteten Konzert am 6. September 2003 in Oberösterreich. Die »Kameraden« hielten sich an die Vorgabe. Der Rausschmiss bei einem Neonazi-Konzert führt schließlich schnell ins Krankenhaus. Und als es in der »Ostmark« auf einmal hieß, die Gendarmerie komme, brachen die Baden-Württemberger ihren Auftritt vorsichtshalber ab, obwohl sie erst eine Viertelstunde lang gespielt hatten.
Dementsprechend lange zog sich das Ermittlungsverfahren hin. Nach rund dreijähriger Arbeit erklärte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft: »Die Band-Mitglieder setzten alles daran, für Außenstehende unerkannt zu bleiben. Bilder von Auftritten und die Namensnennung von Mitgliedern versuchten sie zu vermeiden.« Im Ausland spielte »Race War« meist als Überraschungsgast, in Deutschland nur vor handverlesenen Kameraden. | 34 |
Im Unterschied zu den meisten deutschen Neonazi-Bands hat sich »Race War« von Anfang an keine Mühe gegeben, legale Titel zu produzieren. In einem ihrer Lieder bekannte sich die Gruppe zum Terrorismus und zu der paramilitärischen Gruppierung Combat 18, die als bewaffneter Arm des Netzwerks Blood & Honour gilt. Die britische Truppe soll Todeslisten mit politischen Gegnern veröffentlicht haben, und ihr werden unter anderem Briefbombenanschläge zugeschrieben. Die »18« steht für den ersten und den achten Buchstaben des Alphabets, also für die Initialen Adolf Hitlers. Im Internet präsentierten sich Kämpfer des Combat 18 unter anderem mit Gewehren des Waffenherstellers Heckler & Koch, der auch die Bundeswehr ausstattet. In einem Szeneinterview sagte »Race War«- Frontmann Max Hirsch: »Die Idee von Combat 18 ist sehr gut.« In einem Refrain grüßte er die Terrortruppe mit »Hail C18«, in einer Strophe des Songs folgte die Ansage: »The 4th Reich is what we are fighting for. Our terrorist attacks will change the world.« Im Kampf für ein Viertes Reich sollen also die Terrorattacken der Nazis die Welt verändern.
Zumindest Max Hirsch kann mit Waffen umgehen. Das hat der Sänger bei der Bundeswehr gelernt. Er war als Wehrpflichtiger beim Transportbataillon 10 in Ellwangen stationiert, wohingegen zwei seiner Bandkollegen Zivildienst geleistet haben. Nach Hausdurchsuchungen bei ihm und den anderen Verdächtigen im Mai 2003 spielte »Race War« weiter, als sei nichts gewesen.
Im Ermittlungsverfahren gegen die Band ging es um ihre Debüt-CD, die sie beim rechtsextremistischen Label Micetrap Records in den USA herausgebracht hatten. Der Titel: The White Race Will Prevail. Ins Deutsche übersetzt: »Die weiße Rasse wird die Oberhand gewinnen.« Sie wurde unter anderem aus Amerika und aus Dänemark eingeführt – in Päckchen, die Werbesendungen ähnelten. Innerhalb Deutschlands haben Neonazis illegal mit ihr gehandelt, zum Beispiel im Wismarer Werwolf-Shop, buchstäblich unter der Ladentheke. Die CD, die im Jahr 2003 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert worden war, geriet zum Verkaufsschlager. Eine limitierte Auflage mit Hitler-Cover folgte. Noch rund zwei Jahre nach Erscheinen der ersten Pressung rangier | 35 | ten die beiden Scheiben auf Rang drei und sieben der Micetrap-Best-sellerliste.
Bei den Vertragsverhandlungen mit der braunen US-Plattenfirma dürfte Max Hirsch von seinem
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