Blut muss fließen
Pressevertreter mit einem Pfeifkonzert, um dann sogleich mitzusingen, was das Land der Vollidioten ausmacht: »Kreuze werden aus Schulen entfernt, aus Respekt vor andersgläubigen Kindern.«
»Frei.Wild« hat die Marktlücke besetzt, welche die »Böhsen Onkelz« nach ihrer Auflösung 2005 hinterlassen haben. Die »Onkelz« hatten sich von ihrer Neonazi-Vergangenheit in den 80er Jahren offiziell verabschiedet. Danach haben sie mit Plattenverkäufen und Konzerten Kasse gemacht. In einem »Onkelz«-Song heißt es: »Mit scheinheiligen Liedern erobern wir die Welt.« Das gelang ihnen, obwohl ihre CDs von manchen Plattenläden nicht verkauft, ihre Lieder nicht im Radio gespielt und ihre Musikvideos nicht im Fernsehen gezeigt wurden. Eine Reaktion der ehemaligen Rechtsrocker war der Titel Keine Amnestie für MTV. | 295 |
Obwohl von einigen Neonazis als Verräter verachtet, werden alte Scheiben der »Onkelz« bis in die Gegenwart hinein auf manchen Konzerten des Netzwerks Blood & Honour gehandelt. Als Rarität gilt beispielsweise das VHS-Video des Szenelabels Rock-O-Rama, das die »Onkelz« am 9. November 1985 bei einem Auftritt im Berliner Bunker der Neonazi-Band »Kraft durch Froide« zeigt, am Jahrestag der Reichspogromnacht – garniert mit massenhaft Hitlergrüßen aus dem kahlköpfigen Publikum.
Seit dem Abschiedskonzert der »Onkelz« im Juni 2005 verdient ein Heer von Coverbands am Geld der Fans, die jährlich zu Tausenden zur G.O.N.D. pilgern – zur Größten Onkelz-Nacht Deutschlands. »Frei.Wild« war dort wiederholt zu Gast, obwohl keine »Onkelz«-Songs mehr zum Repertoire gehören. Dieses Bekenntnis der Südtiroler reichte offenbar: »Böse Menschen, böse Lieder, ihr habt Recht behalten, ›Onkelz‹ immer wieder. Diese Lieder haben Leben geprägt. Wir sind mit so was groß geworden.«
Nicht alle »Onkelz«-Nachmacher legen Wert auf so viel Distanz zur Neonazi-Szene, wie es das Original zuletzt getan hat. So trat die Bielefelder Band »Exitus Letalis« mit alten Songs wie Stolz auf, bei einem Konzert, das die Rockergruppe Red Devils Hannover am 14. Februar 2009 in Lüneburg veranstaltete: »Deutschlandfahne, denn darauf bist du stolz. Man lacht über dich, weil du Arbeiter bist. Doch darauf bin ich stolz, ich hör nicht auf den Mist. Du bist Skinhead, du bist stolz.« Liedgut der aktuellen Rechtsrockband »Sleipnir« hatten die böhsen Bielefelder ebenfalls im Programm. Zu sehen und zu hören waren »Exitus Letalis« auch schon im Vorprogramm der rechten Hooligan-Band »Kategorie C«.
Fankleidung der »Onkelz« trugen beim »Frei.Wild«-Konzert in der Stuttgarter Schleyerhalle viele der Skinheads unter den Besuchern. Andere hatten sich politische Shirts über den Glatzkopf gestreift, wie »Südtirol ist nicht Italien« oder »Todesstrafe für Kinderschänder«, das für die gleichnamige Neonazi-Initiative steht. In einem Video heißt Sänger Burger solche Fans willkommen: »In Südtirol gibt’s nun mal Skins, die auch das Recht haben, auf Konzerte zu gehen. Solange sich die Leute benehmen, bin ich sicher der Letzte, der sagt: ›Du darfst nicht reinkommen.‹ Warum? Mit wel | 296 | chem Recht? Nur, weil er anders denkt, weil er was anderes wählt? Wenn er die Leute nicht vollquatscht, denen nicht seine Meinung aufbindet und so weiter, dann kann ich ehrlich zu ihm sagen: Willkommen, aber benimm, dich!‹«
Im Titel Schlauer als der Rest will »Frei.Wild« sich mit Ironie von der Nazi-Szene distanzieren, wobei fraglich ist, inwiefern die Ironie als solche erkennbar ist: »All die Leute, die nicht arisch sind und nichts als Unruhe stiften, gebt mir ein MG, und ich werde sie vernichten. Denn nur ich, ich bin in Ordnung.« Über den Hauptverantwortlichen für die Judenvernichtung im deutschen Nazi-Reich heißt es anschließend lapidar: »Adolf Hitler, Ehrenmann, war ein Teil vom ›Arschloch-Clan‹.« Dass die Bandmitglieder nach eigenem Bekunden Faschisten und Nationalsozialisten hassen, begründen sie übrigens patriotisch: »Unsere Heimat hat darunter gelitten.«
In der Schleyerhalle postulierten »Frei.Wild«, was sie für Wahre Werte halten: »Sprache, Brauchtum und Glaube sind Werte der Heimat. Ohne sie gehen wir unter, stirbt unser kleines Volk.« An Andersdenkende gerichtet, heißt es in dem Lied: »Wann hört ihr auf, eure Heimat zu hassen? Wenn ihr euch ihrer schämt, dann könnt ihr sie doch verlassen.« Das erinnerte mich an einen Titel, den ich beim Sommerfest der sächsischen NPD am
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