Blut muss fließen
27. Juni 2009 in Jänkendorf von der Neonazi-Band »Hauptkampflinie« gehört hatte: »Hey, wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen, weil wir alle dreckigen Volksverräter hassen.«
Wie einst für die »Onkelz« scheint sich das Böhse-Buben-Image für die Südtiroler auszuzahlen. Für 100 000 verkaufte Exemplare ihres Albums Gegengift erhielten sie vor ihrem Auftritt in Stuttgart eine Goldene Schallplatte. Und zum Abschluss des Konzerts sang die Metal-Ikone Doro Pesch zusammen mit Philipp Burger auf der Bühne im Duett, wozu Matthias »Gonzo« Röhr von den »Böhsen Onkelz« die Gitarre spielte. In einem Interview im Pressure Magazine sagte Doro über »Frei.Wild«: »Die Leute suchen halt immer nach irgendwelchen negativen Sachen, aber bei den Jungs von ›Frei. Wild‹ habe ich von Anfang an ein total gutes Gefühl gehabt.« Sie erklärte: »Wenn man Deutsch singt, dann haben einige Leute immer ein Problem damit.« | 297 | Bereits früher hatten die Südtiroler auf ihrem Album Allein nach vorn triumphiert, weil sie trotz politischer Medienschelte auf großen Festivals wie in Wacken spielen durften: »Dieselbe Hetze schon seit etlichen Jahren, wir müssen die Menschen vor ›Frei.Wild‹ bewahren, und es hat nix gebracht, uns nur bekannter gemacht.« Damit verbindet die Band die Ankündigung: »Wir wollen und werden uns niemals ändern, scheißegal, ob euch das passt.«
Im neonazistischen Thiazi-Forum, gegen dessen Betreiber die Staatsanwaltschaft Rostock spätestens seit Juni 2012 »wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung« ermittelt, wurde »Frei.Wild« trotz seiner Distanzierungen von der Szene gewürdigt: »Ich denke, dass ›Frei.Wild‹ das genau richtig macht – eine rechte Einstellung in der Öffentlichkeit zu zeigen, bedeutet unterzugehen, die unpolitische Schiene zu benutzen, bedeutet, eine große Masse ansprechen zu können.« Ein anderer pflichtete bei: »Sie hatten immer ihren patriotischen Standpunkt in den Texten, ohne ins Extreme abzuschweifen. Das finde ich sehr hilfreich (im nationalen Sinne), denn damit erreichen sie gut ›normale‹ Leute, welche dadurch schneller ihre Vorbehalte gegenüber Patriotismus und Nationalstolz verlieren.« Teilweise haben sogar Nazi-Händler die CDs von »Frei. Wild« verkauft, zum Beispiel bei einem NS-Black-Metal-Konzert am 4. April 2009 in Belgien.
Die rund 12 000 Fans in Stuttgart feierten auch die Vorgruppe »Unantastbar« aus Südtirol, in der ein weiteres Ex-Mitglied der Skinhead-Band »Kaiserjäger« singt – Texte wie diesen: »Für immer Skins, für immer frei. Seit vielen Jahren schon dabei. Was ihr uns sagt – scheißegal. Ob verboten, ob legal.« »Unantastbar« ist beim »Frei.Wild«-Label Rookies & Kings unter Vertrag – wie die zweite Vorband, »Serum 114«. Diese hatte in der Schleyerhalle sogar einen musikalischen Mordaufruf gegen »Politiker und Manager« im Angebot: »Hängt sie höher, höher, höher. Sie hängen noch nicht hoch genug. Und lasst sie hängen, dann sieht jeder, wir schauen nicht mehr länger zu.«
Eine ähnliche Botschaft hatte ich schon von der eigentlich politisch unverdächtigen Saalfelder Deutschrockband »Morgenrot« vernommen, als sie am 30. Mai 2009 – vor einem mit Nazis durch | 298 | mischten Publikum – bei den Red Devils im thüringischen Unterwellenborn auftrat: »Stürm auf den Bundestag, entmachte die Verräter. Zeig kein Erbarmen, es sind Überzeugungstäter. Lass keinen von ihnen übrig, wir müssen sie besiegen.« Das klang für mich wie ein Mordaufruf gegen alle Bundestagsabgeordneten. Im Widerspruch dazu behauptet die Band auf ihrer Internetseite: »›Morgenrot‹ ist sozialkritisch, aber nicht politisch. ›Morgenrot‹ spielt keine politischen Veranstaltungen und auch nicht mit politischen (extremistischen) Bands zusammen.« Bei dem Konzert im Rocker-Clubhaus waren anschließend die »Kneipenterroristen« dran, eine »Onkelz«-Coverband, die von der G.O.N.D. her bekannt ist und vom Unterwellenborner Publikum, auch von den Nazis, gefeiert wurde.
Insbesondere in Ostdeutschland ist mir aufgefallen, dass junge Leute verschiedener Subkulturen kein Problem haben, mit Nazis zu festen. Neben heidnischen Black-Metallern haben angeblich unpolitische Oi!-Skins keine Berührungsängste. So traten im Skinhouse Menfis in Neustadt an der Orla Oi!- und Nazi-Bands gleichermaßen auf. »Roimkommando« coverte dort am 19. August 2009 Schwarze Division von
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