Blut muss fließen

RECHTS-ANWÄLTE
    »Richtig ist, dass sie auf den ersten Blick nicht wie eine Mexikanerin aussieht. Aber auch nicht wie eine Deutsche. Nur habe ich bisher nicht sofort auf Formunterschiede des Kopfes und Ähnliches geachtet, wenn mir eine Freundin eines bekannten vorgestellt wird.«
    »Noie Werte«-Gitarrist Oli nach dem Rauswurf eines Schlagzeugers über dessen deutsch-mexikanische Freundin | 57 | | 58 |
    »Noie werte« bei neuen Nazis. Als die so benannte Skinhead-Band am 2. September 2006 den Song Alter Mann von Spandau anstimmte, zeigten unzählige Neonazis mit ihren rechten Armen, wie hoch im ehemals faschistischen Italien noch die Heil-Kräuter wachsen … Sie feierten in dem Dorf Revine Lago, rund eineinhalb Autostunden nördlich von Venedig, das 20-jährige Bestehen der Veneto Fronte Skinheads. Mehrere hundert Deutsche waren zum braunen Kulturaustausch angereist – unter ihnen die Mitglieder der Musikgruppe »Noie Werte«, die nur ein Jahr jünger war als die italienische Neonazi-Organisation. Die Band hatte sich 1987 gegründet.
    »Alter Mann, alter Mann, alter Mann von Spandau .« Das Publikum grölte das Lied mit. Es war Rudolf Heß gewidmet, den die Rechtsrockfans als Märtyrer verehren. Die Alliierten hatten den einstigen Stellvertreter des Nazi-Diktators Adolf Hitler als Kriegsverbrecher verurteilt. Seine lebenslange Haft verbüßte Heß im Spandauer Gefängnis, wo er sich 1987 allem Anschein nach erhängt hat. Die Neonazis gehen hingegen von einem Mord aus.
    »Noie Werte« drückte auf die Tränendrüse: »Der einsamste Mann auf der ganzen Welt, bis zum Ende seiner Tage wurde er gequält. Für ihn gab es keine Gerechtigkeit – keine Freiheit bis zum Ende der Zeit.« Das Publikum bejubelte diese musikalische Hommage an Heß. Und dieser Jubel ging in »Sieg Heil«-Geschrei über. Der braune Mob war so gut drauf, dass er sogleich noch ein SA-Liedchen trällerte: »Blut muss fließen knüppelhageldick, und wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik.«
    Ein deutscher Rechtsanwalt und ein deutscher Richter waren anwesend – sie griffen aber nicht ein. Im Gegenteil: Sie heizten die Stimmung der Neonazis weiter an, indem sie die Bühnenshow fortsetzten. Das war ein Hammer . – buchstäblich. | 59 |
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    Die Nummer 8 des Skin-Zines »Landser« erschien mit Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß auf dem Titel – auf die Heftrückseite schaffte es eine Rechtsrockband, die ihn verehrte: »Noie Werte« mit Rechtsanwalt Steffen Hammer (links) als Sänger.
    Steffen Wilfried Hammer war Frontmann von »Noie Werte« und gleichzeitig Rechtsanwalt. Beruflich hat er sich darauf spezialisiert, das zu trennen, was in völkischen Kreisen heilig ist: Ehe und Familie. Er ist Scheidungsanwalt in Reutlingen und wirbt mit seinem entsprechenden Online-Service: »Einvernehmliche Ehescheidungen bundesweit – kompetent und unkompliziert.«
    Einer seiner Gitarristen war der Untertürkheimer Daimler-Betriebsrat Oliver Hilburger, der als ehrenamtlicher Richter am Stuttgarter Arbeitsgericht wirkte – auf Vorschlag der Christlichen Gewerkschaft Metall, in deren Landesvorstand er saß. Nebenberuflich arbeitete er als Heilpraktiker.
    Zwei Biedermänner betätigten sich als ideologische Brandstifter, ohne dass sie sich im juristischen Sinne die Finger schmutzig gemacht hätten. Erstens gilt in Italien nicht das deutsche Strafrecht. Zweitens zeigten sie selbst keinen Hitlergruß. Und drittens hatten sie ihre Liedtexte clever formuliert. Ein Beispiel: »Ich kenne deinen Namen, ich kenne dein Gesicht, du bist die Faust nicht wert, die | 60 | deine Nase bricht.« Hammer kündigte dieses Stück als »song against the fucking media« an, als Lied gegen die Scheißpresse. Diese Zeilen könnten, wörtlich betrachtet, als Aufruf gegen Gewalt interpretiert werden – oder sollte es sich doch um eine Drohung gegen Journalisten handeln? Wie dem auch sei . Ich habe in Italien lauthals mitgegrölt, um nicht aufzufallen.
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    Ein Rechtsanwalt, dem der Hitlergruß entboten wird: »Noie Werte«-Sänger Steffen Hammer am 2. September 2006 bei einem Auftritt in Italien.
    Auf dem Debütalbum von »Noie Werte« ließen Hammer und Co. weniger Interpretationsspielraum. Die Langspielplatte beziehungsweise CD mit dem Titel Kraft für Deutschland, 1990 erschienen, wurde von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert. Der Grund war laut Verfassungsschutz Baden-Württemberg, dass