Blut muss fließen
18 Kameradinnen.
Und was wollte die AFF in diesem Gruppengeflecht? Ihre Führe | 52 | rinnen verfolgten einen elitären Anspruch: »Wir wollen uns unterscheiden von den vielen anderen Frauenorganisationen. Wenn wir den normalen Weg hätten gehen wollen, wären wir nun Mitglieder bei der Gemeinschaft Deutscher Frauen oder beim Freien Mädelbund, aber das ist nicht unsere Arbeit. Wir wollen durch hartes Kämpfen und harte Arbeit auffallen.«
In diesem Kampf schien sich die alleinerziehende Mutter Isabell P. allerdings zunehmend aufzureiben. Als wir uns im Frühjahr 2004 virtuell immer näher kamen, war sie gerade ziemlich erschöpft. Zudem kriselte es in der Beziehung zum »Race War«-Sänger Max Hirsch. »Im Moment nervt’s mich nur, wenn er da ist«, gestand sie am 5. Mai 2004. Dabei hatte sie noch die Maiennacht mit ihm verbracht: »Wir waren in Bettringen zu so nem Konzert der ›Lollies‹, hihi.« Haha – ich auch, und zwar mit Videokamera, weil Celti gegenüber einer meiner Skingirl-Identitäten verraten hatte, dass sie dort mit ihrem Lebensgefährten zugegen sein würde. In der Tat wirkten die beiden an diesem Abend ziemlich gelangweilt.
Celtis Frustration war meine Chance, ihr Vertrauen zu gewinnen. Meine Bewunderung für ihre Lebensleistung, meine Besorgnis ob ihrer Anstrengungen und mein Verständnis für ihre Unzufriedenheit taten Isa gut. »Es ist halt blöd, dass du mich grad auf so einem Fuß erwischst«, schrieb sie mir. »Ich kann mir auch nicht erklären, warum ich so viele private Dinge schreibe. Vielleicht liegt das an meiner Ausgangsposition grade, dass keiner da ist, mit dem ich reden kann.« Ihren Kameradinnen traute sie nicht: »Jedes kleine Geheimnis wird genutzt, entweder um mich in die Pfanne zu hauen aus Neid oder sich woanders damit hochzutratschen.«
Wenn ich sie im Frühsommer 2004 mit ihren Töchtern in den Stuttgarter Zoo eingeladen hätte. – wer weiß, was hätte werden können? Darüber nachgedacht habe ich kurzzeitig. Einige Monate mit einer Neonazi-Aktivistin zu verbringen, erschien mir unter Recherchegesichtspunkten reizvoll. An meiner Seite hätte eine Informationsquelle gesprudelt. Ich verabschiedete mich allerdings schnell von diesem Gedanken. Sofern wirklich was aus uns geworden wäre, hätte ich erstens zu den Treffen nicht dauernd durch die halbe Republik fahren können und zweitens doch dieses Rollenspiel | 53 | irgendwann wieder abbrechen müssen, worunter möglicherweise am Ende Celtis Kinder gelitten hätten. Folglich war ich aus zeitlichen und ethischen Gründen an einen Punkt gekommen, an dem ich die maximale Rechercheintensität erreicht hatte. Und für eine Parallelbeziehung zu Max Hirsch, die weniger Zeit beansprucht hätte und vor den Kindern geheim geblieben wäre, war die treue Isa nicht zu haben. »Ich geh nicht fremd«, ließ sie mich wissen, »ich würd mich vorher trennen.«
Im September 2004 war es von ganz alleine so weit. Die Beziehung zwischen Isabell P. und Max Hirsch ging in die Brüche. Einen Monat später kämpfte die AFF-Führerin noch »mit den Nachwirkungen«, und der Rechtsrocker widmete ihr eine herzzerreißende Liebesballade, die auf der »Race War«-CD Stimme des Blutes enthalten ist: Ein letzter Gruß (Für Isa!) . Auf dem Balladenalbum Schicksalsstunde erschien der Song sogar ein zweites Mal: »Mag ich auch ewig warten, mein Herz schlägt für dich allein. Selbst wenn alle Hoffnung verloren ist, diese Botschaft vergebens sei: Dies ist ein letzter Gruß an dich .«
Es wurde höchste Zeit, die Skingirl-Recherche zu veröffentlichen. Im April hatte ich schon damit begonnen, Celti gedanklich auf ein Interview vorzubereiten: »Habt ihr euch schon mal überlegt, im eigentlichen Sinne öffentlichkeitswirksam aufzutreten?«
In einer Reporterin des ARD-Magazins Report München lernte ich die ideale Kollegin für dieses Projekt kennen. Sie hatte wiederholt über Pädophile berichtet – das Feindbild Nummer eins der AFF-Frauen. Das war ein inhaltlicher Anknüpfungspunkt. Und die Kollegin war bei einer Internetrecherche sogar selbst auf die nationalistische Frauenorganisation aufmerksam geworden.
Gemeinsam formulierten wir eine Interviewanfrage an Isabell P. – wobei ich natürlich nicht im Absender auftauchte. Kaum war der Brief abgeschickt, meldete ich mich unter einem meiner Pseudonyme wieder bei Celti, die gerade überlegte, ob sie die AFF als Verein organisieren sollte. Ich schrieb: »Gerade dein Einsatz gegen die Perversen kann
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