Blut muss fließen
»ihr Inhalt auf Kinder und Jugendliche verrohend wirkt, zu Gewalttätigkeiten und Rassenhass reizt und immanent nationalsozialistisches Ideengut vertritt«. In einem einschlägigen Internetforum wurde aus dem Song Zusammenhalt wie folgt zitiert: »Deutschland den Deutschen, ja so soll es sein! Drum lasst keine Fremdlinge mehr rein in unser Land! In unsere Blocks kommt kein Gesocks!«
Solche Songs spielte die älteste Skinhead-Band aus dem »Muster | 61 | ländle« im Jahr 2006 nicht einmal mehr im Ausland. Stattdessen sang der Rechts-Anwalt in Italien: »Kennst du das Land, wo deutsche Kinder nichts mehr zählen. […] Kennst du das Land, wo man täglich vor Rassisten warnt, während man den Mord an unserem Volke plant. Kennst du dieses Land? Deutschland wird’s genannt.« Der Pöbel im Publikum verstand die Botschaft – die alte Botschaft, in noie Worte verpackt.
»Noie Werte« agierte und agitierte in der Tradition von Ian Stuart Donaldson, dem größten Rechtsrockstar aller Zeiten. Der Sänger der britischen Szene-Kultband »Skrewdriver« gilt als Gründer des internationalen Neonazi-Netzwerks Blood & Honour, das seit dem Jahr 2000 in Deutschland verboten ist. Die Musikgruppe aus Württemberg hatte ihm viel zu verdanken. »Der große Durchbruch kam 1991, als wir mit ›Skrewdriver‹ in Kontakt getreten sind und einige Konzerte in Deutschland und in England zusammen mit Ian Stuart gespielt haben«, berichtete Frontmann Hammer in einem Interview auf einer Band-DVD. Und er schwärmte von einem Kneipenbesuch mit Ian Stuart: »Der hat nie irgendwie den Star rausgehängt, obwohl er ein Star war. […] Er hat auch nie irgendwie einen Anführer dargestellt, sondern er war ganz einfach durch sein Charisma derjenige, den viele vergöttert haben.«
Der »Skrewdriver«-Song Suddenly hatte den jungen Hammer tief beeindruckt. Darin heißt es: »One day if suddenly I am forced to take my leave. Will you still carry on with the things that we believe?« Übersetzt: »Eines Tages werde ich plötzlich gezwungen sein zu gehen. Wirst du die Dinge, an die wir glauben, weiterführen?« Für den Juristen war dieses Lied »ein ganz wichtiger Punkt«, wie er erzählte: »Viele, viele haben nach dem Tod von Ian Stuart 1993 […] aufgehört, daran zu glauben beziehungsweise sie haben vielleicht auch nie daran geglaubt, was Ian Stuart geglaubt hat, was er gelebt hat. [.] Bei vielen ist es leider so, dass sie eine Zeit lang halt rebellieren, vor allem wenn sie jung sind, aber das dann nicht entsprechend weitertragen, nicht entsprechend weiterleben.«
»Noie Werte« ist Ian Stuart treu geblieben. Die Band hat dem britischen Nazi-Skin den Song Walhalla gewidmet: »Ich hatte einen Kameraden, einen bessern findst du nicht. Er war einer der besten Soldaten, und vergessen werde ich ihn nicht. Verfolgt, verraten und | 62 | gejagt, trotz der Hetze nie verzagt. Ein Mensch wie er wird selten geboren, trotz dem Tod hat er nicht verloren.« Der Nachrufcharakter dieses Liedes wurde noch getoppt, indem sich Hammer direkt an den Toten wandte: »Du hast mir so viel Freude gemacht, in manchen Stunden haben wir gemeinsam gelacht. Ich danke dir für deine Taten und werde dich niemals verraten. […] Nun bist du tot, mein weißer Bruder, ich singe weiter deine Lieder. Der Gedanke an dich wird nie vergehen, in Walhalla sehen wir uns wieder.« Auch die Zuhörer sprach der Bandleader persönlich an: »Wenn du dieses Lied hörst, wird er in Walhalla sein. Sein ganzes Leben gehörte der Sache, sein Gewissen war stets rein.« Walhall ist ein mythologischer Begriff. Er steht für die Halle der Gefallenen.
Kurz vor Ian Stuarts zehntem Todestag stand Steffen Hammer bei einem Neonazi-Konzert im oberösterreichischen Forchdorf auf der Bühne, am 6. September 2003. Vor rund 900 Fans bekannte er: »Ian hat uns den Weg gezeigt, auch mir.« Und in einem Interview erklärte er: »Was man von Leuten wie Ian Stuart gelernt hat, ist das, dass man zu seiner Überzeugung stehen muss, dass man nicht einknicken darf, nur weil’s mal gewisse Widrigkeiten gibt.« Das hat der Rechtsanwalt beherzigt. Egal, ob Journalisten über ihn berichtet oder Antifaschisten einen Buttersäureanschlag auf seine Kanzlei verübt haben – er sang weiter. So, wie es sein Vorbild vorgelebt hatte: »Ian Stuart stand zu dem, was er getan hat.«
Ian Stuart Donaldson hat aber wohlgemerkt nicht nur Lieder gesungen und die Kameradschaft gepflegt. Das Neonazi-Idol soll auch Ausländer angegriffen
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