Blut muss fließen
Skingirl. | 50 |
Die Nazi-Maiden wurden aber immer mehr. Bis zu einem Viertel des Publikums stellen sie heute bei Konzerten. Und sie begannen, sich zusammenzurotten – in Frauenorganisationen. So stieß ich auf die »Mädelgruppe« der inzwischen verbotenen Kameradschaft »Tor« aus Berlin, die sich intensiv mit Fragen der Gleichberechtigung auseinandersetzte: »Dieses Unwort ›Gleichberechtigung‹ lehnen wir ab. [. ] Es ist aber selbstverständlich, dass eine deutsche Frau einem deutschen Mann zur Seite gestellt ist – also ihm von Natur aus gleichgestellt ist. Es sollte daher auch von Seiten der Männer keine Bedenken gegen eine Frauenarbeit oder eine Frauenorganisation geben.« Den Skingirls erschien es als »sinnvoll, wenn die Aufgaben in der Bewegung zu einem bestimmten Teil auch von Frauen übernommen werden, da dies einen gewissen weiblichen Einfluss gewährleistet«. Und:
»Es darf nicht versäumt werden, Frauen ihre eigentliche Bestimmung, ihre eigentlichen Aufgaben aufzuzeigen und ihnen ihre ursprüngliche Ehrenhaltung wieder zurückzugeben. […] Nur wir können das Leben vorleben, welches unserer Art entspricht, nur wir können unseren Frauen und Mädels ihre ureigenste Art zurückgeben und sie befreien von den liberalistischen Fesseln der Gleichberechtigung, Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung‹, die eine vermeintliche Freiheit versprechen, doch letztendlich nur ein Trugbild sind. Nach unseren Vorstellungen ist die Frau unentbehrliche Kameradin des Mannes. […] Sie ist die Tochter ihres Volkes und vor allem die Mutter des Volkes.«
Gleichberechtigung wollten die »Torinnen« nicht einmal untereinander: »Denn sicher hat eine deutsche Mutter von vier Kindern andere Rechte als ein daheim ›auf den Mann wartendes Püppchen‹, welches nur diesem zum Gefallen gereichen soll.« Pfundige Renees offenbarten teilweise eine gewisse Stutenbissigkeit gegenüber blondierten Discomiezen, die vereinzelt von Skinheads angeschleppt wurden. Die Tor-Frauen pochten auf Traditionsbewusstsein: »In den Nähstuben zum Beispiel hatten die Frauen ihre Frauengemeinschaft, die sie pflegten. Da dies heute nicht mehr der Fall ist, tritt als Ersatz die Frauenkameradschaft an diese Stelle.« Wie wichtig solche Frauen für den Nationalsozialismus sind? »Bedenken wir, dass | 51 | zum Beispiel Adolf Hitler ohne seine weibliche Gefolgschaft nie an die Macht gekommen wäre, die ihm nach seinen eigenen Worten in der schlimmsten Not die Treue unerbittlich hielt.« Ihnen wollten die Berlinerinnen nacheifern: »Wie schon die Germanin ihre Männer auf das Schlachtfeld zurücktrieb, weil für sie ein Aufgeben nicht in Frage kam, so sollen deutsche Frauen heute Männer vorantreiben im Kampf um Deutschland.«
Und was strebten die anderen Organisationen an? Die Gemeinschaft Deutscher Frauen (GDF) wollte das Selbstbewusstsein der Frauen stärken, sie politisch aktivieren und schulen. Der Freie Mädelbund rief zum »biologischen Widerstand« auf: »Vermehrt euch!« Der Bund heimattreuer Frauen kümmerte sich um das germanische Brauchtum und den Heimatschutz. Und die Mädelschar Deutschland betätigte sich unter anderem als Putzgruppe, wenn es galt, ein Soldatenehrenmahl von Schmierereien zu reinigen.
Die Frauen in der Fränkischen Aktionsfront hatten die Erfahrung gemacht, »dass es für uns Frauen viel schlimmer ist, aus Gründen unserer politischen Aktivitäten gesellschaftlich ausgegrenzt zu werden« – deshalb sollte die Gruppe eine »Ersatzfamilie für die Verstoßenen« sein. Das klappte nur begrenzt. Die Aktionsfront wurde 2004 verboten. Der Skingirl Freundeskreis Deutschland hingegen »verbot sich selbst«, wie das einschlägige Zentralorgan aus Hamburg berichtete. Die Skingirls hatten sich nach zehn Jahren selbst aufgelöst. Das sorgte in der Szene für Unmut. Schließlich waren die Aufgaben bis dahin ganz gut verteilt, wenn man einer Darstellung der Mädelschar Deutschland glaubt: »Der Skingirl Freundeskreis Deutschland (SFD) kümmert sich überwiegend um den kameradschaftlichen Kontakt der Mädels untereinander, das Braune Kreuz um Verletzte und der Freie Mädelbund (FMB) um inhaftierte Kameraden und deren Angehörige. Wir wollen uns auf die politische Arbeit konzentrieren. Ein Kontakt aller Gruppen untereinander, gegenseitige Unterstützung bei Aktionen und gegebenenfalls gemeinsame Veranstaltungen sind aber vorgesehen.« Als der Mädelring Thüringen zu einem »Mädelgruppen«-Treffen lud, kamen allerdings nur
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