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Blut muss fließen

Blut muss fließen

Titel: Blut muss fließen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kuban
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bewegten sich aufeinander zu und verschmolzen teilweise. Vertreter der »Freien Kräfte« erkannten die Chancen, welche die Partei für die nazionale und ihre eigene Sache bot. Zum Beispiel Thorsten Heise, der als Betreiber des Labels Witwe Bolte Records beziehungsweise des WB-Versandes bekannt geworden ist. Er wurde nicht nur Mitglied, er kam als Beisitzer in den NPD-Bundesvorstand und übernahm dort das Referat Freie Kameradschaften.
    Der Effekt dieser Allianz wurde im ostsächsischen Mücka offensichtlich. Die dortige Discothek Wodan sollte zu »Deutschlands Szene-Discothek Nr. 1« werden – nachdem sie durch das sogenannte »Pressefest« des NPD-Parteiorgans Deutsche Stimme bekannt geworden war, bei dem im Sommer 2004 Tausende Besucher volksfestartig Redner und Bands gefeiert hatten. Bespielt wurde der Rockschuppen im weiteren Verlauf von den Jungen Nationaldemokraten (JN), der Jugendorganisation der NPD.
    Unter dem Motto »Pogo für Deutschland – wir lassen uns das Tanzen und Singen nicht verbieten« luden JN-Bundesorganisationsleiter Sascha Wagner und NPD-Parteivorstand Thorsten Heise auf den 27. November 2004 zu einem Konzert mit Redebeiträgen in die Disco | 118 | ein. Obwohl ein Konkurrent des Deutsche Stimme-Versandes, durfte Heise das Banner seiner Firma WB-Records werbewirksam an der Wodan-Fassade anbringen. Er spielte an diesem Abend augenscheinlich eine führende Rolle im Saalschutz, den eine Arische Bruderschaft übernommen hatte. Ein Ansturm von mehr als 1000 Neonazis überforderte die Skinheads, die im Eingangsbereich jeden Besucher nach versteckten Kameras durchsuchten. Dabei war die Truppe besonders motiviert, weil sie bereits bei einem Konzert in Kirtorf im hessischen Vogelsbergkreis vertreten war und sich danach mit meinen Videoaufnahmen konfrontiert sah – und an diesem Abend in Mücka wollten diese Brüder die Kirtorfer Band »Gegenschlag« vor meiner Knopflochkamera schützen. Die Körperfilze geriet aufgrund des Andrangs allerdings so schlampig, dass ich sie selbst mit meiner damaligen, noch relativ großen Ausrüstung über mich ergehen lassen konnte, ohne eine Entdeckung fürchten zu müssen.
    Ursache dieser braunen Invasion nahe der polnischen Grenze war nicht die Anwesenheit des großväterlichen NPD-Landtagsabgeordneten Klaus-Jürgen Menzel, sondern einer der ersten Auftritte von Michael »Lunikoff« Regener. Zwar hatte ihn das Kammergericht Berlin, das seine Band »Landser« als »kriminelle Vereinigung« einstufte, zu einer Haftstrafe verurteilt. Der Rechtsrockstar ging allerdings in Revision und konnte deshalb noch einige Monate in Freiheit nutzen, um mit der »Lunikoff-Verschwörung« sein Comeback zu feiern. Das war vor allem deshalb eine Sensation, weil von »Landser« nur ein Auftritt bekannt geworden ist – vermutlich, weil die Band einst strafrechtliche Konsequenzen vermeiden wollte  …
    Teilen des Publikums in Mücka war die Rechtslage egal. Vor lauter Begeisterung stimmten einige den Polackentango von »Landser« an. Praktisch jeder Nazi kann diesen Song auswendig – nur Regener wollte an diesem Abend nicht mitsingen. Aus juristischen Gründen. Den Klan-Song aus alten Zeiten riskierte er hingegen: »In dem guten, alten Süden brennen Kreuze in der Nacht. Und ein Reiter in weißer Robe hält auf dem Hügel Wacht. Und der Mond zieht seine Bahn überm Reich des Ku-Klux-Klan.«
    Die Fans standen dicht an dicht, die Discothek wirkte überfüllt. Es war anstrengend, mir immer wieder eine Position zu erdrängeln, | 119 | in der ich »Lunikoff« Regener – zwischen den Schultern und Köpfen vor mir hindurch – vors Objektiv bekam. Meines Wissens bin ich der erste Journalist gewesen, der die Neonazi-Ikone am Mikro in bewegten Bildern dokumentiert hat. Und das trotz Übelkeit, die ich mir mit der schweißig stinkenden und vom Zigarettenrauch vollends verpesteten Luft erklärte. Es war aber wohl doch der Magen, der sich nicht mal mit einem Liter Cola beruhigen ließ. Einfach zum Kotzen. Das tat ich später im Bad meines Hotelzimmers.
    Zuvor hatte ich vollends mit angesehen und angehört, wie »Luni« seinen Kultstatus pflegte: »Nach so vielen Jahren haben sie’s gerafft, wer hinter all der Hetze steckt. […] Und von Hamburg bis nach München würden sie mich so gern lynchen, aber dafür müssen sie mich erstmal kriegen.« Michael Regener arbeitet mit Hohn und Spott, seine Texte sind pointiert, seine Auftritte kabarettistisch angereichert: »Und an den

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