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Blut muss fließen

Blut muss fließen

Titel: Blut muss fließen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kuban
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kommissarischer Bundesvorsitzender als Quelle ›abgeschaltet‹ worden« sein – von November 1995 bis März 1996.
    Dann übernahm Udo Voigt die Führung, der die NPD später im Verbotsverfahren vertrat – unterstützt von den Rechtsanwälten Hans Günter Eisenecker und Horst Mahler. Und sie argumentierten, ein Parteiverbotsantrag könne nicht mit Tatsachen begründet werden, von denen sich nicht ausschließen lasse, dass sie von »interessierter Seite« der betroffenen Partei untergeschoben worden seien – von V-Leuten. Die Geheimdienste hätten in vielen Fällen Einfluss auf ihr Verhalten genommen. So teilten es die NPD-Bevollmächtigten dem Bundesverfassungsgericht mit. Ihr Fazit: Die rechtliche Problematik könne »nur durch die Verfahrenseinstellung ›beendet‹ werden«. Und genau so kam es. Auch dieser Einwand der Antragsteller hat nichts genutzt: An »Stichtagen« der Jahre 1997, 2001 und 2002 habe »der Anteil der V-Leute« in den NPD-Vorständen »jeweils unter 15 Prozent gelegen«. | 114 |
    Das Bundesverfassungsgericht kam zu dem Ergebnis: »Das Verfahren kann nicht fortgeführt werden. […] Eine Mehrheit von vier Richtern ist der Auffassung, dass ein Verfahrenshindernis nicht besteht. Drei Richter sind der Auffassung, dass ein nicht behebbares Verfahrenshindernis vorliegt.« Da ein Parteiverbot einer Zweidrittelmehrheit des BVG-Senats bedurft hätte, musste das Verfahren beendet werden. Die Begründung der entscheidenden richterlichen Minderheit: »Die Beobachtung einer politischen Partei durch V-Leute staatlicher Behörden, die als Mitglieder des Bundesvorstands oder eines Landesvorstands fungieren, unmittelbar vor und während der Durchführung eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Partei ist in der Regel unvereinbar mit den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren.«
    Aus NPD-Sicht war der Ausgang des Verbotsverfahrens nicht nur eine Einstellung, sondern ein Sieg – die Partei setzte ihren Vormarsch mit noch mehr Entschlossenheit fort. Mit ihrem neuen Selbstvertrauen, eine rechtsstaatlich nicht zu verbietende Partei zu sein, mietete sie für ihre wachsende Anhängerschaft im bayerischen Grenzgebiet zu Baden-Württemberg städtische Räume an – in Senden. Erst den Heiningsaal, dann die Stadthalle. Die NPD traf auf eine Gemeindeverwaltung, die sie in aller Selbstverständlichkeit wie jede andere Partei behandelte: als Mieter. Der Bürgermeister war ein Freier Wähler und der Fraktionsvorsitzende seiner Hausmacht im Stadtrat ein vermeintlicher Fachmann im Kampf gegen rechts: In seinem Amt als polizeilicher Staatsschützer war der führende Kommunalpolitiker für die NPD-Umtriebe in Senden zuständig. Leider schien er unter einer Sehschwäche auf dem rechten Auge zu leiden. Beim Liederabend mit Frank Rennicke, bei dem der Staatsschützer und Stadtrat dienstlich anwesend war, konnte die NPD sogar Flugblätter der Fränkischen Aktionsfront auslegen. Das war am 31. Januar 2004. Eine gute Woche zuvor, am 22. Januar, hatte der bayerische Innenminister die Fränkische Aktionsfront verboten.
    Als der Parteivorsitzende Udo Voigt gut zwei Monate später in die bayerische 22 000-Einwohner-Stadt kam, konnte er seinen örtlichen Führungskameraden Stefan Winkler dafür loben, »dass er dazu bei | 115 | getragen hat, dass die NPD sich hier in Senden festgebissen hat«. Weiter sagte Voigt am 3. April 2004: »Ich hoffe, dass von Senden aus eine neue Bewegung über Schwaben und über Bayern ziehen wird, damit den Deutschen klar wird, dass nicht nur in Mitteldeutschland Nationalisten stehen, sondern in Gesamtdeutschland.«
    Das deckte sich mit den Plänen des Kreisvorsitzenden Winkler: »Wir möchten zum einen den JN-Stützpunkt in Neu-Ulm aufstocken dieses Jahr und uns erweitern. Nach Norden hin, Heidenheim. Zum anderen nach Westen hin, Alb-Donau, die Ulmer Region. Nach Osten Memmingen.« Ziel sei es, ein »Nationales Zentrum« zu schaffen. Das sagte der NPD-Funktionär, der damals – geschätzt – um die 20 Jahre jung war, im Januar 2004, als rund 200 Leute Frank Rennicke hören wollten.
    Am 3. April 2004 versuchte es der Nachwuchskader mit noch mehr Musik – und es kamen rund 100 Leute mehr in die Stadthalle. Neben der Rechtsrockband »Act of Violence« wirkten die Liedermacher Annett Moeck und Michael Müller als Publikumsmagneten. Müller sang beispielsweise: »Ich seh den Sinn meines Lebens in 14 Wörtern, die mir befehlen,

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