Blut muss fließen
tanzten Polonaise. Sascha Wagner: »Wir sind heute artig, wir beugen uns diesem Staat für heute Abend.« Und zum Schluss meldete sich der Landtagsabgeordnete Klaus-Jürgen Menzel zu Wort: »Unsere grünen Freunde ziehen jetzt zugweise ab. Tanzt und pogt für Deutschland. Und singen sollt ihr auch! Danke. Ende.« Das Ende der Discothek als Nazi-Treffpunkt folgte einige Wochen später. Die Pächter zogen ins thüringische Pößneck um, wo sie ein anderes Szenelokal übernahmen.
Der Einzug der NPD in den sächsischen Landtag hatte einige Nationalisten zu gut bezahlten Abgeordneten und noch einige mehr zu parlamentarischen Mitarbeitern und Bürogehilfen gemacht. Im Jahr 2006 wiederholte sich das in Mecklenburg-Vorpommern. Die NPD kam dadurch zu hauptamtlichen Kräften, um die nationalsozialistische Jugendkultur zu organisieren – eine neue Epoche in der deutschen Rechtsrockgeschichte. Und die NPD wollte immer mehr.
Der JN-Funktionär Sascha Wagner engagierte sich unermüdlich. Im Bundestagswahlkampf 2005 wurde er an der saarländischen Front aktiv. Auch hier hatte die NPD zum Konzert geladen: »Wir rocken den Reichstag.« Am konspirativen Treffpunkt wurde Wagner als Kontaktperson genannt, falls es Rückfragen gebe. Und bei Problemen mit der Polizei könne Horst Mahler kontaktiert werden – der Rechtsanwalt, der die NPD aus dem Verbotsverfahren manövriert hatte. Mahler war früher ein Unterstützer der Roten Armee Fraktion (RAF) gewesen und hatte deshalb im Gefängnis gesessen. In der jüngeren Vergangenheit trat er als Holocaustleugner auf, was ihn erneut mehrfach hinter Gitter brachte. | 122 |
Im musikalischen Begleitprogramm des NPD-Bundestagswahlkampfs sprach ein ehemaliger Rechtsterrorist als Pausenfüller: Peter Naumann, der damals persönlicher Referent des sächsischen Landtagsabgeordneten Klaus-Jürgen Menzel war. Auf dem T-Shirt eines Zuhörers stand, wohin die Reise gehen soll: »Eines Tages werden sie sich wünschen, wir würden nur Musik machen.«
Im Publikum waren B&H-Leute aus Österreich und der Schweiz, die niederländische Black-Metal-Band »Calslagen« trat mit schwarzen Sturmhauben vermummt auf, und im Bühnenbereich hing eine schwarz-rot-goldene Deutschlandflagge, mit der manche Reichsdeutsche ihre Probleme hatten: »Hängt die Judenfahne ab!« Das erledigte dann auch ein Besucher im Laufe des Abends, verbunden mit einem handfesten Tumult. Es lag dieses Mal nicht an der Polizei, dass Sascha Wagner das Konzert abbrach .
Was nach Pleiten, Pech und Pannen aussah, ist in der Gesamtbilanz der NPD zu vernachlässigen. Sie hat die Strategie von Blood & Honour perfektioniert, mit Rechtsrock junge Leute zu ködern. Sogenannte »Schulhof-CDs« wurden kostenlos an Jugendliche verteilt und im Internet zum Download bereitgestellt. Darauf findet sich Liedgut, das zunächst gar nicht nach Nazi-Musik klingt: beispielsweise ein Lied gegen den Irak-Krieg der amerikanischen Armee. Das kommt auch bei Jugendlichen an, die nicht mit Neonazis sympathisieren – und es überrascht sie. Sind die Nazis vielleicht gar nicht so böse, wie es Eltern und Lehrer behauptet haben? Erstes Interesse ist damit geweckt. Und wenn obendrein fremdenfeindliche Ressentiments vorhanden sind, wie es in großen Teilen der Bevölkerung zumindest unterschwellig der Fall ist, dann ist der Weg zu einem öffentlich beworbenen NPD-Konzert nicht mehr weit.
Bei diesen Parteiveranstaltungen wird Ideologie nicht mehr nur in der Musik, sondern zusätzlich in Reden transportiert – wie beim jährlichen Festival Rock für Deutschland in Gera, das aus dem Rock gegen Krieg hervorgegangen ist. Kamen zum Antikriegskonzert am 10. Juli 2004 noch rund 200 Leute, lockte das Nachfolge-Event am 11. Juli 2009 mehr als 5000 Personen in einen Geraer Stadtpark. Wenn so viele Neonazis mitten in einer Großstadt eine »Spielwiese« (so heißt dieser Park) bekommen, um Szenegrößen wie »Sleipnir« | 123 | und »Lunikoff« zu feiern, dann lässt die NPD in den Umbaupausen Demagogen wie Udo Voigt auf sie einreden. Der damalige Parteivorsitzende holte Arbeitslose und Geringverdiener in ihrer Lebenswirklichkeit ab:
»Deutschland ist im Kapitalsumpf fremder Interessen unter Globalisierungsfanatikern aufgeteilt, die – je nach Belieben – entweder Arbeitskräfte dorthin holen, wo sie Produktion brauchen, oder umgekehrt dort produzieren, wo sie billige Arbeitskräfte kriegen. Beides ist in den seltensten Fällen in Deutschland der Fall. Und so gibt es
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