Blut muss fließen
Wehrmacht an den Kriegsverbrechen des NS-Regimes beteiligt war. Von Rennicke erst verklärt, dann verehrt: »Großvater, ich schäm mich deiner nicht.«
Der politische Musikant ist ein Paradenationalist – in Aussehen und Lebensweise. Er trägt sein Haar seitlich streng gescheitelt und als Kleidung vorzugsweise Tracht. Als Vater von inzwischen sechs Kindern steht er für das völkische Ideal der Großfamilie. Die Fortpflanzung soll die Zukunft der weißen Rasse sichern. Nicht nur in Deutschland. Dem mittlerweile im Gefängnis verstorbenen amerikanischen Rechtsextremisten David Eden Lane wird der folgende Leitspruch zugeschrieben: »We must secure the existence of our people and a future for white children.« Eine 14-Wörter-Parole. Manche Rassisten schließen E-Mails daher mit der Grußformel »With 14 Words«. | 112 |
Rennicke singt im Stile von Liedermachern aus der Friedensbewegung, aber seine Botschaft ist Hass. Darüber können humoristisch gefärbte Werke wie Zehn kleine Spitzelchen und Jupheidi und Jupheida – Hausdurchsuchung, Razzia nicht hinwegtäuschen. Er weiß, wie es ist, wenn sich die Polizei unerwünscht Zutritt verschafft. Er fühlt sich politisch verfolgt. Davon erzählte er auch bei seinem Sendener Auftritt im Januar 2004 in Senden: »Das grinsende Gesicht der Staatsschutzbeamten werde ich nicht vergessen. Wenn ich gelernt habe, Menschen wirklich zutiefst widerwärtig abzulehnen und zu hassen … – die haben’s geschafft bei mir.« Auch »diese Republik« hasst er, wie er anklingen ließ.
Die Vertreter dieser Republik würdigt er zwischen seinen Liedern in kabarettistischer Manier: »So ein Dschungelcamp für Bundespolitiker, das wär ne Sache. Vor allem Angela Merkel fast nackt … Huaaah.« Oder: »Als Gerhard Schröder in Afrika war, konnte er keinen Schwachsinn machen. Und ich habe so gebetet: Bitte, bitte lieber Gott, mach einen Triebwerkschaden, bitte, bitte. Aber es sollte nicht sein. Die Maschine ist wieder gelandet.« Bei Witzen auf diesem Niveau haben sogar Skinheads ihren Spaß, die normalerweise lieber Rechtsrock hören. Trotz seines weniger aggressiven Musikstils lässt der Barde an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: »Das gute alte arme Deutschland hat vieles schon erlebt. […] Und wartet auf Erlösung durch seiner Feinde Tod.«
Dass er den Schulterschluss zwischen Jung und Alt herzustellen vermag, macht das NPD-Mitglied Rennicke zu einem gefragten Gast bei Parteiveranstaltungen. Die Zielgruppe der Altnazis ist ja aus biologischen Gründen immer kleiner geworden … Parlamentarisch spielte die NPD seit Mitte der 70er Jahre keine Rolle mehr. Nachdem Udo Voigt im Jahr 1996 den Vorsitz übernommen hatte, machten sich die Nationaldemokraten verstärkt auf Nachwuchssuche. Und dabei entdeckten sie die Wachstumsstrategie von Blood & Honour für sich – die Strategie, mit politischer Musik junge Leute anzusprechen.
Nachdem Blood & Honour anno 2000 in Deutschland verboten worden war, sollte ein Jahr später auch die NPD verboten werden. Der entsprechende Antrag von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat schien die nationalistischen Aktivisten zusätzlich zu mo | 113 | tivieren, und das Scheitern des Verbotsantrags am 18. März 2003 schien sie vollends zu beflügeln. Das Bundesverfassungsgericht brach das Verfahren ab – nicht, weil die NPD so überzeugend demokratisch gewesen wäre, sondern weil der Verfassungsschutz Führungskräfte der Partei auf seiner Mitarbeiterliste stehen hatte: »Im Schnitt etwa ein bis zwei V-Leute in den einzelnen Vorständen«, wie das Bundesverfassungsgericht erfahren hat. »Ausnahmsweise könnten einem Vorstand aber auch drei V-Leute angehören.«
Vertrauensleute, kurz V-Leute, sind keine Verfassungsschützer, welche die NPD unterwandern, sondern vom Staat bezahlte Nazis. Dafür liefern sie Informationen. Welche? Das haben sie selbst in der Hand. Der Verdacht liegt nahe, dass sie vor allem solche Informationen weitergeben, die für die Neonazi-Bewegung nicht problematisch sind. Den »Verfassungsschutz« mit V-Leuten gewährleisten zu wollen, ist mindestens kurios – und, fachlich betrachtet, nicht einmal amateurhaft. Aber doch gesetzlich erlaubt. Zumindest betonten die staatlichen Vertreter gegenüber dem Bundesverfassungsgericht, dass es nicht verboten sei, V-Leute »auf der Ebene der Vorstände anzuwerben«. Der NPD-Funktionär und Verfassungsschutz-V-Mann Udo Holtmann soll immerhin »während seiner Tätigkeit als
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