Blut muss fließen
unser Land einsickert, mit dem Attribut, sich hier als Zecke im Fleisch gütlich zu laben, der bekommt es mit einer Kultur zu tun, die sich auf das Naturrecht beruft und sagt: Asylschmarotzer, raus aus unserem Land, liebe Freunde.« Dafür erntete er begeisterten Beifall und jubelndes Johlen im Publikum. Genauso für seine Ausführungen zur Popkultur: »Eine Ikone dieses entarteten Blödsinns« – gemeint war der tags zuvor verstorbene Popstar Michael Jackson (»dieser verrückte Jackson, dieser Transvestit oder Außerirdische«) – »ist gestern Gott sei Dank vom Leben in den Tod gegangen.«
Die USA hatte Pastörs auch im Blick, als er den »Schutz des Vaterlandes« als Auftrag der deutschen Armee bezeichnete: Wo sie einge | 128 | setzt werde, »bestimmt kein Jude an der Ostküste Amerikas, sondern das deutsche Volk«. Und er fragte in die Runde: »Könnte es nicht doch sein – und ich formuliere das im Konjunktiv -, dass wir in einer Art judendominierten Republik leben, liebe Freunde?«
Udo Pastörs habe »ja mal früher gesagt, das wär ne Judenrepublik«, erklärte Liedermacher Frank Rennicke, der bei diesem NPD-Fest ebenfalls hetzte. »Da ham w’r gesagt: Udo, das darfst’ nicht sagen.« Diese Lektion habe er gelernt und dann gesagt: »Gut, es ist die Republik von Charlotte Knobloch .«
Charlotte Knobloch stand damals dem Zentralrat der Juden in Deutschland vor. »Charlotte, hau einfach ab«, sagte Rennicke und spielte 66 Nasen, ein antisemitisches Lied: »Für Zins und Zinseszinsen halten sie die Hände auf, pressen für ihr bisschen Geld das Zehnfache heraus. Von 66 Nasen wird diese Welt regiert, ja 66 Nasen melken uns, weil’s uns pressiert. Ja, 66 Nasen an dem Banksystem uns plagen. An 66 Nasen zahlen wir Hunderte Milliarden. [.] 66 Nasen singen ›History ist toll‹. Drüber quatschen, labern, stänkern, macht schnell die Kasse voll.« Außerdem hat der braune Barde seinem »Lieblingsstaatsanwalt« einen Titel gewidmet: »Ich ging in die Kirche und ich bat den lieben Gott, er möge doch bescheren des Advokaten Tod.«
Eine Partei, die unter anderem dem Ausländer- und Judenhass sowie für Mordaufrufe eine Bühne bietet, gehört verboten. Durch ein NPD-Verbot würde die Neonazi-Bewegung geschwächt – weil es keine politische Infrastruktur für öffentliche Massenveranstaltungen mehr gäbe, die eine zentrale Rolle bei der Nachwuchswerbung spielen. Es würde Jahre brauchen, um eine vergleichbare Organisation aufzubauen – und bis dahin wäre ein Teil des braunen Sumpfes ausgetrocknet, da mangels NPD-Konzerten der Zulauf von jungen Leuten zurückgehen würde.
Der Verfassungsschutz Baden-Württemberg erläuterte in seinem Jahresbericht 2005: »Im Boom der rechtsextremistischen Skinhead-Musikszene steckt eine wichtige Teilerklärung für die eklatanten Rekrutierungserfolge der dazugehörigen Skinheadszene – und umgekehrt.« 24 Konzerte hatte das Bundesland zu verzeichnen, ein Rechtsrockrekord. Die Polizei erhöhte den Verfolgungsdruck.
Nach einem Jahr zog der Verfassungsschutz Bilanz: »Manche zen | 129 | tralen Indikatoren, an denen man noch – und gerade – im Jahr 2005 den […] Boom der rechtsextremistischen Skinhead-Szene im Allgemeinen und der dazugehörigen Musikszene im Besonderen hatte ablesen können, wiesen im Jahr 2006 nach unten, insbesondere die Anzahl der in Baden-Württemberg registrierten rechtsextremistischen Skinheads und die Zahl der von rechtsextremistischen Skinhead-Bands im Land gegebenen Konzerte.« Die Erklärung:
»Es liegen Anzeichen dafür vor, dass die repressiven Maßnahmen, mit denen sich die rechtsextremistische Skinhead-(Musik-)Szene konfrontiert sieht, im Jahr 2006 Wirkung gezeigt haben. Dabei schien sich die Entwicklung des Jahres 2005 bei den Skinheadkonzerten in Baden-Württemberg zu Anfang des Jahres 2006 fortzusetzen: Am 21. Januar 2006 fanden gleichzeitig in Karlsruhe und Geislingen-Eybach/Kreis Göppingen die ersten beiden Konzerte des Jahres statt, wovon das erstgenannte mit gut 450 Teilnehmern (darunter auch Schweizer und Franzosen) das bestbesuchte Skinhead-Konzert in Baden-Württemberg seit Juli 2004 war (Geislingen: circa 130). Doch beide Konzerte wurden von der Polizei aufgelöst. […] Es kann davon ausgegangen werden, dass die beiden Konzertauflösungen gleich zu Beginn des Jahres, zumal sie 2006 nicht die einzigen blieben, erheblichen Eindruck in Form von Abschreckung, Frustration und Demotivation auf die Szene gemacht haben
Weitere Kostenlose Bücher