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Blut muss fließen

Blut muss fließen

Titel: Blut muss fließen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kuban
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den Besuchern kloppen. Die Stadt Zeitz hatte die Kosten des Verwaltungsgerichtsverfahrens zu tragen.
    Notgedrungen erließ das Ordnungsamt am Folgetag Auflagen, obwohl es deren Wirkung in seiner Verbotsverfügung noch in Abrede gestellt hatte. Nun aber musste es sich wohl oder übel damit | 172 | begnügen, das Abspielen von indizierten Titeln zu untersagen und vorsorglich darauf hinzuweisen, dass eine Missachtung dieser Auflage ein sofortiges Eingreifen der Polizei zur Folge haben könnte. Und genau das, was befürchtet wurde, trat auch ein: Mehrere Konzertbesucher zeigten wiederholt den Hitlergruß – ich habe das mit meiner Minikamera dokumentiert. An einem Verkaufsstand fand sich die Kassette einer Band mit dem Namen »Holocaust«. Einer der Nazi-Metaller im Publikum trug ein T-Shirt, dass mit SS-Runen verziert war. Eine der Bands coverte Werwolf von der Nazi-Black-Metal-Band »Absurd«. Darin heißt es: »Ich stille meine Gier mit Menschenfleisch, mit Zyklon B, mit Gift und Blut. Willst du mich, so komm in mein Reich.« Die Organisation Werwolf war eine vom SS-Führer Heinrich Himmler gegründete Untergrundbewegung, die gegen Ende des Zweiten Weltkriegs mit Attentaten und Sabotageakten aktiv war – und Zyklon B ist das blausäurehaltige Schädlingsbekämpfungsmittel, das die Nazis im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau zum Massenmord einsetzten und das deshalb zum Synonym für den Holocaust geworden ist. Die Passage »mit Zyklon B« ließ der Sänger wohlweislich aus – dafür grölte sie das textsichere Publikum voller Begeisterung. Die rassistische Gruppe »Nordglanz« besang als Headliner des Abends den Kampf und Sieg Germaniens – »für das Reich« und »für die Art«.
    Beamte des Polizeireviers Burgenlandkreis aus Weißenfels waren nach eigenem Bekunden vor Ort, Sie sahen sich aber nur mittelbar in der Verantwortung: Für die »ordnungsgemäße Durchführung derartiger Veranstaltungen in der Gaststätte« sei die Stadt Zeitz »originär zuständig«. Sie postierten sich vor der Alten Skatklause, wo sie die Hitlergrüße nicht sehen und wohl auch die Lieder nicht hören konnten. Dabei hätten sie bloß folgende Auflage nutzen müssen: »Der Ordnungsbehörde sowie der Polizei ist in jedem Fall und zu jeder Zeit der ungehinderte und sichere Zutritt zum Veranstaltungsort zu ermöglichen.« Ein Konzertbesucher äußerte sich im Internetforum der politisch braunen Black-Metal-Firma Christhunt Productions zufrieden über die Ordnungshüter: »War ein sehr geiles Konzert. Die Bullen haben nicht genervt, und es gab auch bei Abreise keine Alkoholkontrollen.« | 173 |
    Warum mit Hilfe meines Videomaterials – anders als in Kirtorf – keine Strafverfahren eingeleitet werden konnten? Weil ich kein Fernsehmagazin gefunden habe, das die Bilder ausgestrahlt hätte. Letztlich war es ein Skandal in doppelter Hinsicht: Neonazis konnten in quasi gerichtlich genehmigter Weise öffentlich Nachwuchswerbung betreiben, ohne dass die Polizei trotz der verübten Straftaten eingeschritten wäre – und über ein halbes Dutzend politischer Fernsehredaktionen interessierte das nicht. Unter solchen Bedingungen kann die Neonazi-Bewegung ungestört wachsen. Denn Zeitz ist kein Einzelfall.
    Anfang Dezember 2009 teilte ein Konzertveranstalter aus dem Gasthaus Zur Deutschen Eiche im ostsächsischen Rothenburg-Geheege unter Pseudonym in einem Nazi-Forum mit: »Am 5. Dezember Konzert in Geheege vom Verwaltungsgericht genehmigt. Nach vielem Hin und Her habe ich Recht bekommen, ich darf weiter Konzerte geben.« Und das, obwohl die Polizei dort erst ein gutes halbes Jahr zuvor, am 2. Mai 2009, ein Konzert nach »Sieg Heil«-Rufen beendet hatte. Seither zählt das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz die dortigen Nazi-Konzerte: Sieben kamen 2009 zusammen, 14 im Jahr 2010 (ein 15. wurde vorzeitig aufgelöst) und deren neun im Jahr 2011, in dem die sächsischen Geheimdienststatistiker insgesamt 45 geplante Konzerte erfassten, von denen die Polizei nur zwei verhinderte und eines auflöste. Sie wurden durchschnittlich von 190 Teilnehmern besucht.
    In Anbetracht dieser desaströsen Leistung wirkte der Polizeiapparat im sächsischen Partnerland Bayern zuletzt sogar mustergültig. »Im Jahr 2011 fanden in Bayern zehn Konzerte mit durchschnittlich etwa 80 Teilnehmern statt«, meldete der Verfassungsschutz in München. Und die scheinen nach Bewertung der Ermittler wieder so unproblematisch abgelaufen zu sein, dass die Beamten

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