Blut muss fließen
Massentierhaltung nicht zulässig gewesen.
Trotz der geringen Raumhöhe trat die Black-Metal-Band »Absurd« mit Feuerspucker auf. Wenn der feurige Atem schon verpufft war, züngelten noch Flammen an den Deckenbalken entlang. Die Band »Aryan Rebels« prophezeite im Laufe des Abends: »Synagogen werden brennen, Untermenschen um ihr Leben rennen.« Und »Garde 18« trug unter anderem den beliebten Klassiker zum Gelingen des Konzerts bei: »Wetzt die langen Messer auf dem Bürgersteig, lasst die Messer flutschen in den Judenleib. Blut muss fließen knüppelhageldick, und wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik.« Garniert wurde das Event mit »Sieg Heil«-Rufen und Hitlergrüßen.
Von all dem konnte die Polizei nichts sehen und nichts hören. Die Kirtorfer Kameradschaft Berserker hatte den Stall schallgedämmt – nicht einmal auf dem Innenhof war zu vernehmen, ob eine Band spielt. Folglich entfaltete das Konzert keine Außenwirkung, die es den Beamten ermöglicht hätte, von der Straße aus Propagandadelikte zu erkennen und zu verfolgen. Die Division 28 Deutschland beteiligte sich am »Saalschutz« auf dem landwirtschaftlichen Anwesen. In die Haut gebrannt, gab es den Schriftzug des verbotenen Neonazi-Netzwerks auch im Original zu sehen: Blood & Honour – ein Tattoo.
Anno 2004 hatte Kirtorf längst einen Stammplatz in den Jahresberichten des Landesamtes für Verfassungsschutz. Auf dem Bauernhof mit dem schweinischen Konzertsaal liefen immer wieder Sauereien. Er war zu einem Zentrum der Neonazis geworden, das auch Publikum aus anderen Bundesländern anzog. Die Immobilie gehörte Bertram Köhler, einem bekennenden NPD-Mitglied. Sein Neffe Glenn Engelbrecht, ein Hauptakteur der Kameradschaft Berserker, war gewissermaßen zum Führer geboren: am 20. April. An dem Tag, an dem Neonazis den Geburtstag von Adolf Hitler feiern. Die Infrastruktur für Feste bot Onkel Berti. Die gute Stube, in der sein Wohnzimmer entstehen sollte, ließ er zum Kameradschaftsraum umbauen. Eine noch längere Theke kam in den früheren Saustall. Prost Mahlzeit! | 167 |
Die Polizei und das Landratsamt des Vogelsbergkreises bemühten sich mit vereinten Kräften, die Neonazis in Schranken zu verweisen. Die Versammlungsbehörde untersagte beispielsweise am 2. März 2002 ein Konzert mit der Band »Hauptkampflinie (HKL)«. Die Skinheads legten laut Verfassungsschutzbericht erfolglos Rechtsmittel beim Verwaltungsgericht Gießen ein. Die Polizei habe am Tag der verbotenen Veranstaltung Besucher aus Sachsen, Brandenburg, Thüringen, Niedersachsen und Bayern festgestellt, 77 Platzverweise ausgesprochen und 60 Tonträger sichergestellt.
Noch im selben Monat bestätigte der Hessische Verwaltungsgerichtshof, dass dieses Verbot des »HKL«-Auftritts rechtmäßig gewesen sei, wie die Kreisverwaltung auf Anfrage mitgeteilt hat. Allerdings kassierte die Beschwerdeinstanz einen Passus in der Verbotsverfügung, der obendrein den Auftritt einer »vergleichbaren« Gruppe oder eines Solokünstlers mit »ähnlichem Repertoire« untersagte. Diese Regelung war dem Gerichtshof offenbar zu unkonkret. Die Folge: Am 31. März konzertierte die rechtsextreme Bremer Hooligan-Band »Kategorie C« auf einer Wiese von Bertram Köhler. Das Publikum bildeten laut Verfassungsschutz »etwa 600 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet«.
Nach meinem Dreh in Kirtorf sicherte sich Spiegel TV die Rechte für eine Erstausstrahlung. Noch im Juli 2004 war es so weit: In einem Beitrag über die Schulhof-CDs, die Neonazis kostenlos an Jugendliche verteilen wollten, kamen die ersten bewegten Bilder der braunen Bande aus dem Schweinestall. Was folgte, ist ein Musterbeispiel dafür, wie Demokraten erfolgreich gegen Nazis vorgehen können: indem viele, möglichst alle gesellschaftlichen Kräfte sich engagieren. Im Kirtorfer Fall nahm die Polizei Ermittlungen auf, Roland Jahn (der heutige Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen) stellte als Redakteur des ARD-Magazins Kontraste vor Ort vertiefende Recherchen an, einen Tag vor der Ausstrahlung am 26. August 2004 machte die Polizei eine Razzia bei Bertram Köhler, die Ordnungsbehörde untersagte weitere Veranstaltungen auf dem Bauernhof, und eine kurze Zeit vorher gegründete Bürgerinitiative machte mobil, unter dem Motto »Kirtorf ist bunt – Rechtsextremismus Nein Danke«. | 168 |
Im Interview mit Kontraste war sich Landwirt Köhler seiner Sache noch sicher: »Aus der ganzen Umgebung ist jetzt hier in Kirtorf bei mir der
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