Blut muss fließen
Personalausweise einzusammeln, kochten die Skinheads ihr eigenes Süppchen: Sie hatten ihre Schlagzeugstöcke vergessen und mussten Ersatz beschaffen – Kochlöffel. Als diese eingetroffen waren, begann kurz vor Mitternacht der Soundcheck. In Anwesenheit der Polizei. Ich traute meinen Augen und Ohren nicht. Als ob die ersten Gitarrenklänge das Signal zum Aufbruch gewesen wären, begannen die Beamten mit dem Rückzug. Manche von ihnen mussten aber erst noch ihre augenscheinlich amüsanten Gespräche mit Neonazis beenden. Mit einem Schulterklopfen und per Handschlag wurden | 176 | sie verabschiedet. Kollegen gaben noch schnell die Ausweise zurück. Jene, die ihre Identität preisgegeben hatten, konnten ihre Dokumente vorne bei den Lautsprecherboxen abholen. Die »Feldherren« aus München hatten zum Auftakt ein passendes Lied parat: »Jetzt sind wir da – und ihr seid am Ende!«
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Nicht nur Neonazis hatten bei einem Konzert in Österreich am 9. Dezember 2006 gut lachen – auch die Polizei amüsierte sich, ehe sie abzog, so dass die Skinheads abhitlern konnten.
Die »Hunting Season«, wie es auf einem T-Shirt stand, war eröffnet. Zur Menschenjagd blies »Indiziert«, die Schweizer Band: »Ich will den Rassekrieg beginnen. Ich spür die Wut in unserem Land. […] Ich weiß, ihr habt alle Waffen und ihr seid zum Kampf bereit! Gemeinsam werden wir es schaffen, den Aufbruch in eine neue Zeit.« Wenige Tage vor dem Konzert war gegen die Gruppe ein Strafverfahren eingestellt worden, weil ihre Texte auf einer CD angeblich doch nicht gegen das Schweizer Anti-Rassismus-Gesetz verstießen.
Die rund 200 Skinheads und Skingirls, die überwiegend aus Bayern stammten, trafen sich angeblich zu einer »privaten Feier«. Die | 177 | »persönliche« Einladung hatte der bayerische Schwarze-Sonne-Versand – laut eigener Werbung ein »nationaler« Onlineshop für Musik, »T-Hemden« und Schmuck – per Mail-Verteiler verschickt: ein Verteiler, in den sich jeder im Internet eintragen konnte. In der Einladung hieß es: »Aus rechtlichen Gründen untenstehenden Text ausdrucken und mitbringen.« Der Ort stand nicht auf der Einladung, nur ein konspirativer Treffpunkt an der Deggendorfer Eishalle.
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Nachdem sich die österreichische Polizei am 9. Dezember 2006 aus dem Konzertsaal in Mitterding verabschiedet hatte, zeigten die Neonazis unverhüllt, wessen Geistes Kind sie sind.
Von dort aus machten sich die »Geburtstagsgäste« auf die knapp einstündige Fahrt – gefolgt von der Polizei. Um die bayerischen Beamten und ihre österreichischen Kollegen vom privaten Charakter des Konzerts zu überzeugen, gab’s vor der Weiterfahrt noch Einladungen für alle, die bis dahin keine hatten. Wären Polizisten, wie ich, undercover zur Party angereist, hätten sie diesen Taschenspielertrick erkannt und damit den öffentlichen Charakter des Konzerts nachweisen können. | 178 |
Am neuen Konzertort ließen die Skinheads schnell ihre Kasse unter dem Bistrotisch neben der Eingangstür verschwinden, als die Polizei aufkreuzte. 15 Euro Eintritt hätten nicht ins Bild der Privatparty gepasst. Selbst Getränke gab es bei der Feier unter »Kameraden« nicht kostenlos. Auch das war ein Hinweis auf den öffentlichen Charakter des Konzertes, der den Polizeibeamten hätte auffallen können – was ihnen das Eingreifen von juristischer Seite her erleichtert hätte.
Nachdem der Partyveranstalter sein vermeintliches Recht gegenüber der Polizei durchgesetzt hatte und die Staatsmacht wieder abgezogen war, nahmen es die »Braunen Brüder« mit dem Gesetz nicht mehr so genau. Die gleichnamige Band aus Franken stellte sich als Terroristen mit E-Gitarren vor. Das ist ein Song, der ursprünglich von der Gruppe »Landser« stammt. Die »Braunen Brüder« riskierten es sogar, einen verbotenen Szenekultsong von »Radikahl« zu spielen: »Hängt dem Adolf Hitler den Nobelpreis um. Hisst die rote Fahne mit dem Hakenkreuz.« Das Wort »Hakenkreuz« ließ der Frontmann sicherheitshalber vom Publikum alleine singen.
Rassistisch war die Botschaft der Schweizer Band »Indiziert«: »Rassenvermischung ist Völkermord.« Die Partygäste reagierten mit Hitlergrüßen, manche zogen die T-Shirts aus – darunter kamen teilweise Hakenkreuz-Tattoos zum Vorschein. Viele stürzten sich in den Massen-Pogo vor der Bühne.
Die »Feldherren« aus München versuchten mit dem Schlaflied Arisches Kind wieder etwas Ruhe
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