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Blut muss fließen

Blut muss fließen

Titel: Blut muss fließen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kuban
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reinzubringen: »Und der braune Teddybär sitzt tapfer auf der Wacht, wenn die Untermenschen kommen durch die rabenschwarze Nacht. […] Nicht alle Menschen, die sind gut. Gut ist immer nur ein Mensch mit reinem Blut.« Ein spontan formierter Publikumschor gab ein paar Minuten später ein zweites Nazi-Kinderlied zum Besten: »In Majdanek, in Majdanek, da machen wir aus Juden Speck. In Auschwitz weiß ein jedes Kind, dass Juden nur zum Heizen sind. Fiderallala, fiderallala, fiderallalalala.« Der »Hass schürende Lärm«, wie die Musik auf einem T-Shirt betitelt wurde, verfehlte seine Wirkung nicht. Und weil weder Ausländer noch Juden greifbar waren, mussten die eigenen Kameraden herhalten, um die aufgestauten Aggressionen abzubauen. Der Pogo eskalierte mehrfach: | 179 |
    Die Skinheads stießen, schlugen und traten sich. Besonnenere Zuschauer mussten wiederholt eingreifen und die Streithähne festhalten.
    Andere Skinheads ließen die rechte Party links liegen und begaben sich in die gegenüberliegende Disco – wohl des höheren Frauenanteils wegen. Der Eintritt für Neonazis war im M1 kostenlos, weil die Zappelbude die einzigen Klos auf dem Gelände bot. Die meisten Discobesucher schien die Anwesenheit der Skinheads in Ku-Klux- Klan- und »Hate Society«-Shirts nicht zu stören – nicht einmal, als ein besoffener Skin sich vor den Pissoirs querlegte. Zwei Stehpinkler, die dringend mal mussten, gingen seiner hilflosen Freundin zur Hand und hievten die »Alkoholleiche« auf ein Sofa. Die Arier störte es umgekehrt nicht, dass ein Hit der ausdrücklich nicht blonden Band »4 Non Blondes« aus den Discoboxen tönte. Zwischendurch stimmten Normalos und Skinheads Ein Prosit der Gemütlichkeit an.
    Nach rund drei Stunden ging das Neonazi-Konzert zu Ende. Auf ein massenhaftes »Sieg Heil«-Geschrei im textlich abgewandelten Hool-Song Sport frei folgten die Rufe nach Zugabe. Der »Braune Brüder«-Frontmann erklärte, warum kein Lied mehr möglich sei: »Die kleine Polizei ist wieder da.« Das Publikum empfing die Beamten singend: »Wieder mal Überstunden, wieder kein Feierabendbier. Denn euern Feierabend, den bestimmen wir.« Die Neonazis konnten unter den Augen der Polizei so ungestört abziehen, wie sie gekommen waren: ohne Personen- und Fahrzeugdurchsuchungen.
    Bezirkshauptmann Franz Pumberger, stationiert in Ried im Innkreis, hielt diesen Einsatz für gelungen, wie er auf Anfrage des ORF-Magazins Thema offenbarte: »Wir haben überlegt, natürlich abzuwägen im Sinne der Verhältnismäßigkeit: Wie können wir diese Veranstaltung auf der einen Seite irgendwo behindern, damit zumindest nicht der Zweck, den die Veranstalter gehabt haben, wirklich voll aufgeht oder die Absicht voll aufgeht – auf der anderen Seite, um nicht doch einen großen Aufruhr zu erzeugen.« Michael Tischlinger von der Sicherheitsdirektion Oberösterreich war nach eigenem Bekunden als Fachberater der Polizei vor Ort: »Wir haben das Ganze vor Ort geprüft, auch rechtlich, und auch aufgrund der Erkenntnisse, die wir von den deutschen Behörden bekommen haben. Wir haben die entsprechenden Überprüfungen durchgeführt und | 180 | dann keine Gründe gefunden, die Veranstaltung aufzulösen.« Franz Pumberger erzählte dem ORF, wie es weiterging: »Es war dann so, dass wir die Polizeibeamten ja auch beauftragt haben, zu schauen, wann wirklich die Texte entsprechend einen Verstoß nach dem Verbotsgesetz darstellen, dass sie einschreiten müssen.« Nachfrage des ORF-Reporters: »Und diese Verstöße gab’s nicht?« Pumberger: »Die gab’s nicht.« Nachfrage: »Woher weiß man, dass es zu keinen Verstößen gegen das Verbotsgesetz gekommen ist?« Pumberger: »Das sind Texte gewesen, die also gehört worden sind. Es war ständig wer dort, aber es ist nichts festgestellt worden. Ich denke, dass auch doch bei der Musikauswahl dann entsprechend darauf geachtet worden ist, dass hier die Polizei vor Ort ist und entsprechend eingreift, wenn es zu Verstößen kommt.«
    Danach hat ihm das ORF-Team Ausschnitte meines Konzertmaterials gezeigt. Pumberger:
    »Ja, ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich bin sehr betroffen. Ich hätte das nicht für möglich gehalten, dass das in dieser Form, mit diesem Inhalt abgelaufen ist. Das Ganze bestärkt mich nur in meinem Weg, den wir schon im vergangenen Jahr eingeschlagen haben, konsequent gegen Demonstrationen, Versammlungen aus dieser Szene vorzugehen und bei Veranstaltungen, Skinhead-Treffen und dergleichen, einfach

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