Blut muss fließen
sozialdarwinistisch geprägter Way of Life passt zu ihrer gewaltbejahenden Grundeinstellung und zur Rassenideologie ihrer Vordenker. Schon Adolf Hitler hat vor seiner Machtergreifung auf eine Schlägertruppe mit hohem Kleinbürger- und Arbeitslosenanteil gesetzt: auf die Sturmabteilung (SA).
Als ich am 24. März 2006 auf meiner ersten Recherchetour durch Läden mit Nazi-Bedarf war, fiel mir im Chemnitzer Geschäft Backstreet Noise ein Plakat auf: »Fightclub Vogtland 9.4.2006 – Festhalle Plauen« Eine Vorankündigung für eine Kampfsportveranstaltung. Karten gab es im Vorverkauf an der Ladentheke. Ich sicherte mir eine – samt DVDs von früheren »Fightclubs«, um mich vorbereiten zu können. Zurück vor dem heimischen Fernseher entdeckte ich auf einem der Videos, vom 19. Dezember 2004, ein Werbebanner der Volksbank Chemnitz. Das verlieh der Veranstaltung einen seriösen Touch. Doch zehn Minuten später ertönte »Hoo-Na-Ra«-Geschrei, der Schlachtruf der »Hooligans, Nazis, Rassisten«. Alles nur Kampfsport?
Das sächsische Innenministerium hatte am 24. Mai 2005 auf eine Kleine Anfrage der PDS-Landtagsabgeordneten Freya-Maria Klinger hin mitgeteilt: »Bei der Fightclub-Veranstaltung am 19.12.2004 in Chemnitz kam es zu Straftaten gemäß Paragraf 86a Strafgesetzbuch« – es sollen Hitlergrüße gezeigt und es soll »Sieg Heil« geschrien worden sein. »Der Sachverhalt wurde am 4.1.2005 | 219 | anonym bei der Polizei angezeigt und vorerst, ohne dass Tatverdächtige ermittelt werden konnten, abgeschlossen. […] Als bekannt wurde, dass die Volksbank Chemnitz als Sponsor auftrat, wurde mit dieser seitens der Polizeidirektion Chemnitz-Erzgebirge Kontakt aufgenommen, woraufhin die Volksbank Chemnitz ihre diesbezüglichen Aktivitäten einstellte.« Unterschrieben war die Antwort vom damaligen Landesinnenminister Thomas de Maiziere, dem späteren Bundesinnen- und -verteidigungsminister. In derselben Antwort, also vom 24. Mai 2005, teilte er über die inzwischen vorgestrige Kampfsportshow mit: »Derzeit liegen keine Anhaltspunkte vor, die auf einen volksverhetzenden und verfassungsfeindlichen Charakter der für den 22. Mai 2005 geplanten Veranstaltung hindeuten oder es rechtfertigen könnten, die Veranstaltung zu unterbinden. [. ] Die Veranstaltung wird einer ständigen rechtlichen Bewertung unterzogen. Alle bekannt werdenden Vorkommnisse, welche den Anfangsverdacht einer Straftat begründen, werden verfolgt werden.«
Besonders hoch kann der polizeiliche Verfolgungsdruck nicht gewesen sein. Die Produzenten der DVD vom 22. Mai 2005 haben es nicht einmal für erforderlich erachtet, die »Juden raus«-Rufe herauszuschneiden. Zu sehen ist außerdem, wie ein glatzköpfiger Kämpfer mit seiner Faust wie besessen auf den Kopf seines liegenden Gegners eindrischt, obwohl jener bereits mit der Hand auf den Boden geklopft hat – das Zeichen, dass er aufgibt. Um die Prügelorgie zu beenden, schwang sich der Ringrichter zum Ringerrichter auf: Er überwältigte den Skinhead.
Die PDS-Parlamentarierin Klinger hatte in ihrer Anfrage moniert, dass bereits die Werbung des Fightclubs 2004 »auf ein Event der Neonazi-Szene« hingedeutet habe: »Der in der Anzeige groß abgebildete Enrico Malt trat im Frühling 2004 als Organisator eines Neonazi-Konzerts mit der Band ›Blitzkrieg‹ im Chemnitzer Technoclub ›8. Mai‹ in Erscheinung.« Innenminister de Maiziere verwies auf »präventive Beratungsgespräche«, die mit dem Veranstalter geführt worden seien: »Dabei erfolgte unter anderem auch die Absprache, dass bei der Flyer-Werbung auf die Darstellung einer in der Vergangenheit als Organisator rechtsextremistischer Skinhead-Konzerte bekannt gewordenen Person als Kämpfer verzichtet wird.« | 220 |
Auf dem Plakat für den Fightclub Vogtland, den ich besuchen wollte, war der Neonazi erneut im Bilde: »Rico Malt vs. Ralf K.«, das sollte der Hauptkampf am 9. April 2006 werden. Außer im Backstreet Noise wurde das Event im Last Resort Shop Zwickau beworben, in dem ich am 31. März 2006 einen Rechercheeinkauf gemacht hatte. Auch dort gab es Eintrittskarten.
Die Jungle World, eine linke Wochenzeitung, kündigte den Hauptkampf ebenfalls an: »Neonazi gegen Bulle«. Im Artikel folgte die Begründung: »Ralf K. ist Polizist in Chemnitz.« Und: »Malt ist eine Schlüsselfigur der Chemnitzer Neonazi-Szene, die Veranstaltungen der Fightclub-Serie sind gerade wegen seiner Auftritte berüchtigt. Er gilt als Verfechter der Verknüpfung
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