Blut muss fließen
Versandhändler der Szene genutzt zu haben, um ihre Geschäfte auszuweiten. So bot der Wikingerversand auf einmal in größerem Stil an, T-Shirts nach Wunsch zu bedrucken. Diesen Service hatte bis dato der V7-Versand als einziger via Extra-Homepage im Angebot. Der Textilsektor muss besonders lukrativ sein – einzelne Szenekaufleute haben ihre Aktivitäten sogar auf den unpolitischen Bereich ausgedehnt.
Wie viele Versände es gab, stellte die Initiative »Schöner leben mit Nazi-Läden« dar: Auf ihrer Homepage waren im Jahr 2006 rund 60 einschlägige Unternehmen gelistet. Im Jahr 2011 zählte das Bundesamt für Verfassungsschutz 91 »rechtsextremistische Vertriebe«. Immer mehr Neonazis machen mit ihrer Politik Profit. In | 213 | Ladengeschäften wird aber nicht nur Geld verdient, sondern auch zu Jugendlichen Kontakt geknüpft. Ein Umschlagplatz für Informationen: Stefan Silar hat mir in seinem Laden Streetwear Tostedt (bei Hamburg) nach dem Einkauf noch die geheime Handynummer für das nächste Neonazi-Konzert aufgeschrieben. Bei PC-Records in Chemnitz hingen Veranstaltungshinweise neben dem Ausgang. Teilweise gab es Eintrittskarten zu öffentlich beworbenen Konzerten zu kaufen, zum Beispiel für das Pressefest der Deutschen Stimme .
Mit der Kommerzialisierung ging eine Professionalisierung einher: Die meisten CDs deutscher Bands werden routinemäßig von Rechtsanwälten auf ihre Strafbarkeit hin geprüft. Und falls ein Tonträger als »jugendgefährdend« eingestuft werden sollte, so reicht die Zeit bis zur Indizierung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) meist aus, um den Großteil der Auflage zu verkaufen. Die drohende Indizierung einer CD wird teilweise sogar in den Rundmails der Versände als Kaufargument werbewirksam und damit gewinnbringend eingesetzt.
Über Produkte mit politischem Bezug hinaus haben sich Streetwear-Marken etabliert, die aufgrund ihrer nordisch-germanischen Symbolik vorzugsweise von Neonazis getragen werden: Thor Steinar zum Beispiel und Erik & Sons. Die Kameraden von »Erik und Söhne«, wie sie der Liedermacher Frank Rennicke vorstellte, hatten beim sächsischen NPD-Sommerfest 2009 einen Auftritt. Sie initiierten eine Versteigerung eines T-Shirts, das von dem braunen Barden signiert worden war – zugunsten der Liedermacherin Annett, deren Mann Michael Müller (ein Jahr zuvor noch NPD-Kandidat bei der niedersächsischen Landtagswahl) im Mai verstorben war. Das Höchstgebot lag bei 100 Euro. Die Führung von Erik & Sons legte noch 200 Euro drauf, so dass insgesamt 300 Euro für die Witwe zusammenkamen.
Auf den 7. November 2009 lud die Marke für den braunen Lifestyle zu einem Hammerfest nach Berlin ein, als dessen heidnisches Symbol ein Thorshammer herhalten musste: »Wir feiern Weihnachten, wann wir wollen!« Live dabei sein sollte die rechtsextreme Hooligan-Band »Kategorie C«, die von Erik & Sons sogar »sportlich eingekleidet« wird, wie auf einer DVD-Hülle der Gruppe zu lesen | 214 | ist. »Während die einen sich noch ihre zivilcouragierten Schultern zerklopfen, sind die anderen schon beim Vorglühen«, tönte die Textilfirma vor dem Konzert. Die Meldung endete mit der Losung der Hooligans: »Sport frei.« Umso größer war die Blamage, als die Veranstaltung scheiterte. Laut Medienberichten wurde der Mietvertrag gekündigt.
Mode-Labels wie Thor Steinar, Erik & Sons, Ansgar Aryan und Consdaple haben, auf den Spuren deutscher Großunternehmen und erleichtert durch die Erweiterung der Europäischen Union, sogar einen wirtschaftlichen Siegeszug in die »Ostgebiete« und darüber hinaus angetreten. Ihre Produkte gibt es beispielsweise auch in Budapester Boutiquen, so dass sich nationalistische Magyaren ein bisschen deutsches Nazi-Feeling kaufen können. | 215 | | 216 |
Kapitel 11
GEWALT ROCKT
»Antifa halt’s Maul, verdammte Fotze.«
Hannes Ostendorf, Sänger der angeblich unpolitischen Hooligan-Band »Kategorie C«, in einer Ansage beim angeblich unpolitischen Konzert am 17. April 2010 in Kirchheim | 217 | | 218 |
Wenn sich junge Männer als Verlierer fühlen, erscheint es ihnen tendenziell attraktiv, auf das Recht des Stärkeren zurückzugreifen. Wer etwa daran scheitert, sich Selbstbewusstsein und Zufriedenheit in einer Ausbildung oder in einem Beruf zu erarbeiten, der kann sich Selbstwertgefühl erkämpfen – beispielsweise in Fightclubs und in der »dritten Halbzeit« nach Fußballspielen. Oft mit dabei: Neonazis. Ein
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