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Blut muss fließen

Blut muss fließen

Titel: Blut muss fließen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kuban
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Deutschland und Österreich verboten.“ Im Wismarer Werwolf-Shop gab es sie trotzdem zu kaufen. Das justiziable Sortiment stand in einem Koffer hinter der Ladentheke bereit.
    Nazi-Fachhandel und Nazi-Subkultur befruchten sich gegenseitig. Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz stellte 2006 fest: »Der Freistaat Sachsen hat im Bundesvergleich die am stärksten ausgeprägten rechtsextremistischen Vertriebsstrukturen. […] Sie sind für die Szene von herausragender Bedeutung. Über sie kann szenerelevantes Material wie Tonträger und Textilien bezogen werden. Darüber hinaus dienen Szeneläden auch als Umschlagplatz für Informationen. Ferner nehmen die Vertriebe eine Schlüsselrolle bei der Nachwuchsrekrutierung ein.«
    So führte mich am 27. Mai 2006 kein Rechercheeinkauf zu Front- | 209 | Records nach Wurzen, sondern ein NS-Black-Metal-Konzert. Das Label mit Versand residierte in einer ehemaligen Fleischerei. Außer dem Lager fand ich einen Kameradschaftsraum mit Theke und einen Veranstaltungsraum vor.
    Front-Records hatte sich relativ unbemerkt zu einem der großen Akteure unter den braunen Betrieben entwickelt. Das wurde am 5. August 2006 offensichtlich, als das Unternehmen beim Pressefest des NPD-Zentralorgans Deutsche Stimme ein Festzelt bezogen hatte, um Szene-Kleidung und CDs zu verkaufen – neben dem Eingang hing bereits ein Front-Records-Werbebanner. Auch an der Bewirtung soll der Wurzener Wirtschaftsbetrieb beteiligt gewesen sein: Im Internet entstand hinterher eine Diskussion darüber, ob Front-Records der Deutschen Stimme mehrere tausend Euro für die Konzession bezahlt habe und in der Folge die Steak- und Bierpreise vergleichsweise hoch gewesen seien. Zu der Veranstaltung kamen 7000 bis 8000 potenziell essende und trinkende Gäste. Der sächsische Verfassungsschutz registrierte ein »negatives Echo innerhalb der rechtsextremistischen Szene« auf das Pressefest: »Es entstand der Eindruck, dass kommerzielle Interessen bei dem Veranstalter vorrangig gewesen seien. In einem Internetforum wurde angemerkt, dass Front-Records ›den Umsatz ihres Lebens gemacht‹ habe.«
    Die Umsätze im Neonazi-Versandgeschäft wurden vom Bundesamt für Verfassungsschutz schon Jahre zuvor auf mehrere Millionen Euro geschätzt. Präzisere Zahlen lieferten Antifa-Hacker, die mehrere Internet-Shops von Nazi-Versänden geknackt hatten – jenen des Asgard-Versandes vor meiner Kamera. Ich hatte mich mit den Hackern im Sommer 2006 anonym in einem Berliner Hotel getroffen. Einer der Computer-Spezialisten sagte im Interview: »Es gibt kleine Versände, die kaum Umsatz machen und schon von Glück reden können, wenn sie 1000 Euro Umsatz im Monat erreichen. Es gibt aber auch Versände wie zum Beispiel den Wikingerversand, bei dem sich die Monatsumsätze im Bereich zwischen 30 000 und 40 000 Euro bewegen.« Das sei bei der Analyse von Kunden- und Bestelldaten herausgekommen.
    Der Wikingerversand aus dem niederbayerischen Geiselhöring war unmittelbar vor seinem Tag der offenen Tür am 1. April 2006 | 210 | von den Hackern attackiert worden. Das wusste ich aber noch nicht, als ich zu diesem verkaufsoffenen Samstag einlief. Eine Besonderheit im dortigen Programm war ein schwarzer Männerslip, der mit einem stilisierten Spermium in der Farbe Weiß nebst der Aufschrift »White Power« verziert war.
    In jener Zeit suchte der Betreiber des Wikingerversandes einen Grafiker. Zur Festanstellung. Die Politwirtschaft warf genug Geld ab, um Mitarbeiter bezahlen zu können. Neonazis finanzieren Neonazis also auf unterschiedliche Weise: als Kunden die Versandhändler und Ladenbetreiber; als Geschäftsleute die Mitarbeiter und Szeneprojekte, letztere auf Spendenbasis. Das offenbarten Interviews mit den handelnden Personen, die auf der Internetseite der Initiative »Schöner leben mit Nazi-Läden« veröffentlicht worden waren, einer Gegeninitiative zur antifaschistischen Aktion »Schöner leben ohne Nazi-Läden«.
    Chef-Wikinger »Siggi« erklärte dort am 17. Januar 2006: »Wir verdienen unseren Unterhalt mit Geld aus der ›Rechten Szene‹, unter anderem auch die Leute aus der Szene, die wir beim Wikingerversand angestellt haben. Wir finden daran nichts Verwerfliches, da wir ja auch wieder was zurückgeben, zum Beispiel, wie erwähnt, Arbeitsplätze für Leute aus der Szene. Aktionen und Soli-Aktionen unterstützen wir schon, was und wie, möchten wir nicht erwähnen.« Der Wikingerversand hat obendrein jahrelang eine der größten

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