Blut Schatten
als sei es schon immer so gewesen. Noch drei Tage, dann war Samstag. Der Samstag, an dem ich das Kleid tragen würde. Der Tag, an dem ich meine persönliche Freiheit aufgeben würde, auf die ich ohnehin nicht so viel Wert legte. Der Tag, der mich an diesen fantastischen und doch geheimnisvollen Mann binden würde. Also kein Grund, noch kurz vorher kalte Füße zu bekommen. Torschlusspanik? Kopfschüttelnd verbiss ich mir ein Lachen. Hätte ich abhauen wollen, wäre das vor Monaten sicherlich sinnvoller gewesen.
Regentropfen trommelten gegen die Scheibe und lenkten meine Aufmerksamkeit zurück auf den nassen Asphalt vor der Werkstatt. Jeff und mein Bruder traten in den Hof, ein Taxi hielt. Sie umarmten sich und klopften einander dabei kameradschaftlich auf die Schultern. Dann warf Jeff seine Taschen auf den Rücksitz, stieg ein und fuhr vom Hof. Alistair blickte ihm kurz nach, danach ging er zurück in die Werkstatt. Die Pfützen auf der Straße reflektierten die Scheinwerferkegel der vorbeifahrenden Wagen.
Ein näher kommendes Röhren, das wie das asthmatische Husten eines Esels kurz vor dem Verenden klang, zog meinen Blick die Straße entlang. Als ein offenes Cabriolet in Sicht kam, dessen Insassen wie halb ertrunkene Hunde wirkten, klappte mein Mund in wortlosem Erstaunen auf. Denn je näher der Wagen kam, desto genauer waren die durchweichten Gestalten darin zu erkennen. Die eine davon war blond, die andere rothaarig.
Meine Kaffeetasse landete schwungvoll auf dem Tisch, ich flitzte aus der Küche, griff im Bad ein Handtuch, im Flur einen Regenschirm und trat aus dem Haus.
»Das verflixte Dach klemmt«, rief Darian mir entgegen, als er den Wagen direkt vor der Werkstatt abstellte und über die geschlossene Tür sprang.
»Die Tür anscheinend auch. Handtuch gefällig?«, gab ich trok-ken zurück.
»Vergiss das Rohr und die Anschlüsse nicht«, rief Dad, während er sich aus dem Sitz schälte und ebenfalls über die Tür kletterte. Darian hatte indes mit dem Schloss des Kofferraums einen innigen Disput, den er nach einigen Minuten gewann, die Haube anhob und mehrere schmale Kartons nebst einem gebogenen Rohr hervorholte.
»Du solltest dieses Gefährt besser irgendwo unterstellen, bevor es zu einer Badewanne mutiert und dir so vollständig unter dem Hinterteil wegrostet, Schwager«, klang es da aus der Werkstatt. »Neben den alten Autoreifen hinten in der Halle ist noch Platz. Anschließend kannst du mir verraten, was du mit diesem Altmetallhaufen vorhast.«
»Restaurieren, Alistair.« Darian übergab meinem Vater die Schachteln, sprang in den Wagen und startete den Motor. Das heißt, er wollte ihn starten. Doch auch in diesem Fall waren sich Fahrer und Wagen uneins. Es ruckte, es kreischte, dann erstarb jedes weitere Geräusch.
»Super«, stöhnte Alistair und trat hinaus in den Regen. »Dad, leg die Kartons beiseite. Falls du eine Hand frei hast, Faye, wäre das wunderbar. Ich hasse solche Krücken, wirklich.«
Gemeinsam schoben wir den Wagen in die Werkstatt bis vor die besagten Autoreifen. Abermals stieg Darian über die klemmende Tür und hatte dabei ein Lächeln im Gesicht, als habe er den Jackpot geknackt.
»Ist er nicht fantastisch?« Beinahe zärtlich ließ er seine Hand über den stumpfen, mit diversen braunen Stellen übersäten silbernen Lack des Wagens gleiten.
Ich schnalzte missbilligend und zog die Nase kraus. »Was ist an dieser Rostlaube fantastisch?«
»Das ist ein Shelby Cobra 427 SC, Baujahr 1965, Faye! Einer von nur 348 weltweit produzierten Wagen, und keine Rostlaube! Stell ihn dir in voller Pracht vor. Er braucht nur etwas Politur -«
»- einen neuen Motor, eine komplette Runderneuerung und ein warmes Bettchen, schon klar«, unterbrach ich ihn abwinkend und lachte, als Darian mich leicht pikiert ansah.
»Du erwartest von einer Frau doch nicht wirklich, dass sie ein solches Schätzchen zu schätzen weiß, Schwager«, witzelte mein Bruder, legte seine Hände auf meine Schultern und schob mich zum Ausgang. »Lass das mal uns Männer machen. Benzingespräche sind unser Metier.«
»Das Handtuch lass hier und nimm dafür die Kartons mit«, meinte Dad, drückte sie mir in die Arme und schob mich zum Werkstatttor. »Sag Erni, es dauert etwas länger.« Und schon stand ich wieder im Regen, während Dad zurück zu dem neuen Schätzchen eilte. »Meinst du, du bekommst den Motor wieder hin, Alistair?«
Verwundert es, dass auf meinem Weg ins Haus Jason mit leicht geröteten Wangen im
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