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Blut Schatten

Titel: Blut Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abrantes
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faltete er die Zeitung zusammen. Später, formten seine Lippen lautlos, als er nach seiner Teetasse griff. Abermals nickte ich knapp.
    Ernestine und Kimberly hatten von all dem nichts bemerkt und unterhielten sich weiter über die Notwendigkeiten von Schule und anschließender Ausbildung. Nach einer Weile entschuldigte ich mich und verließ die Küche. Ich zog das Handy aus meiner Hosentasche und wählte Darians Nummer. Es knackte in der Leitung, klingelte dreimal, dann nahm er ab.
    »Ich muss dich sprechen. Wo bist du?«, kam ich ohne Umschweife zur Sache.
    »In einer guten Stunde sind wir zurück. Was ist los?«
    »Sie ist tot, Darian.«
    Er klang sofort alarmiert. »Wer?«
    »Die Frau, die uns vor dem drugstore begegnet ist.«
    Es schien ihn nicht zu überraschen, denn seine Stimme klang entspannter: »Ja, ich habe es heute Morgen gelesen. An dem Tod dieser Frau ist nichts mehr zu ändern, Faye. Warum also sollte ich weiter darüber nachdenken?«
    »Warum hast du es mir nicht gesagt?« Ich kroch fast in den Hörer, dämpfte meine Worte, damit sie in der Küche nicht gehört würden.
    »Ich hielt es für nicht relevant, Faye.«
    »Du ...« Ich riss mich zusammen, atmete tief durch. »Okay. Gut. Für mich ist es durchaus relevant. Egal. Wie du schon sagst, es ist nicht mehr zu ändern. Das nächste Mal wünsche ich allerdings einen Hinweis.«
    Ihm war anzuhören, wie wenig es ihm behagte: »Wie du wünschst, Liebes. Wir reden später darüber, ich habe hier noch etwas zu erledigen. Nein, Duncan, den anderen. Warte ...« Es klickte, ein Besetztzeichen erklang, ich legte auf.
    »Haben Sie ihn erreicht?«
    Erschrocken drehte ich mich um. »Jason! Wollen Sie mich zu Tode erschrecken?«
    »Verzeihung, Miss McNamara. Ich hatte keinesfalls vor, Ihre Herzfrequenz ungebührlich in die Höhe zu jagen.« Warum schmunzelte er bei diesen Worten?
    Ich überging es. »Darian wusste bereits vom Tod dieser Frau. Er hat die Zeitung wohl vorher gelesen.«
    »Das ist in diesem Fall zu vermuten. Möchten Sie sich etwas hinlegen, Miss McNamara? Sie wirken erschöpft.«
    »Nicht wirklich. Aber ich werde das Kleid weghängen, bevor Darian zurück ist. Und mich umziehen.« Das Öffnen des oberen Jeansknopfs brachte merkliche Entspannung. Jason sah mich verständnisvoll an und begab sich zurück zu seiner Teetasse, ich ging ein Stockwerk höher.
    Das Kleid auf den mitgebrachten Bügel zu hängen, war das geringere Problem. Aber wo sollte ich es verstecken, wenn kein Schrank vorhanden war? Es zusammengefaltet unter dem provisorischen Bett oder gar der Schlafcouch zu verstauen, kam nicht infrage. Mir blieb nur eine Möglichkeit.
    Nachdem ich mir die neue Jeans angezogen hatte, die ohne die dazugehörige Fülle noch dezent an einen Sack erinnerte, aber immerhin nicht drückte, legte ich das Kleid über den Arm, schnappte die Schuhe und eilte hinunter. In Ernestines kargem Gästezimmer gegenüber der Toilette befand sich neben einem schmalen Holzbett ein zweitüriger Kleiderschrank. Was lag also näher, als sie zu fragen, ob ich das Kleid dort deponieren durfte?
    Natürlich war Ernestine einverstanden. Auch wollte sie die Aufgabe übernehmen, mir an meinem Hochzeitstag beim Ankleiden zu helfen. Merkwürdig, eigentlich ein Job für meine Mutter. Ich vermisste sie jedoch nicht ein bisschen. Seit sie sich vor vielen Jahren nach Rom zurückgezogen und meine Schwester und mich bei meinem Vater gelassen hatte, war der Kontakt entsprechend sporadisch geworden. Wir telefonierten einmal im Monat miteinander, tauschten das absolut Notwendige aus, aber das war es dann auch schon. Gesehen hatte ich sie das letzte Mal im Alter von knapp zwanzig, als ich eine Studienreise nach Rom unternommen hatte. Nähergekommen waren wir uns in dieser Zeit nicht. Mein Verhältnis zu Ernestine hingegen war in nur wenigen Tagen wesentlich enger geworden. Wir verstanden uns ohne viele Worte. Oft schien sie vorauszuahnen, was ich dachte. So wie eben, als ich mit dem Kleid in der Küche erschienen war und sie es mir sogleich abgenommen und bei sich untergebracht hatte. Sollte das Verhältnis von Mutter und Tochter nicht genau so sein? Ich nahm mir vor, meinem Kind all das zu geben, was mir persönlich oft gefehlt hatte.
    Ich stand am Küchenfenster, hielt meine Tasse in der Hand und sah nachdenklich in die einbrechende Dämmerung hinaus. Hinter mir hörte ich Kimberly und Ernestine miteinander scherzen, Jason blätterte in der Zeitung. Es klang alles so normal und familiär,

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