Blut Schatten
nieder.
»Wie ich Ihnen bereits in mehreren Schreiben mitteilte, Mrs. McNamara, sind wir über gewisse Verhaltensweisen Ihrer Nichte nicht sehr erfreut. Daher auch meine Bitte um dieses Gespräch«, begann sie ein wenig umständlich, wobei ihr Blick nervös zwischen mir und Ernestine hin- und herwanderte. Augenscheinlich konnte sie sich nicht recht entscheiden, wen von uns beiden sie direkt ansprechen sollte. »Leider kam heute eine Handgreiflichkeit hinzu, die wir in unserem Institut unter keinen Umständen dulden können.«
Okay, ihr Blick sprach Bände. Doch Ernestines ebenfalls. »Mrs. Randal. Haben Sie sich einmal Gedanken darüber gemacht, welche Gründe hinter einer solchen Handlung stehen? Ihr Missfallen an Handgreiflichkeiten in allen Ehren, niemand heißt sie gut, auch wir nicht. Doch unterschwellige Drohungen, die gefährlich nah in Richtung Erpressung gehen und ein junges, schutzloses Mädchen moralisch völlig in die Ecke drängen, werden von Ihnen geduldet? Ich bin schockiert, Mrs. Randal. Vorbeugung wäre die richtige Maßnahme, alles andere wäre Verdrängung oder Verschleierung Ihrer Verantwortung. Sagen Sie mit bitte, gibt es überhaupt Präventionsprogramme bezüglich dieser Problematik? Welche Hilfen bieten Sie Ihren Schutzbefohlenen an, wenn sie Schwierigkeiten haben? An wen können sie sich wenden, damit solche Situationen gar nicht erst entstehen? Sie haben doch sicher einen psychologisch geschulten Mediator an der Schule? Wenn Sie sofort entsprechende Hilfe hinzugezogen hätten, wäre ein solches Gespräch überflüssig.«
Dieser Vorstoß hatte Mrs. Randal nun völlig aus dem Konzept gebracht. Sie wirkte überaus verdattert und stammelte leicht: »Ja, natürlich. Gewiss. Ich ahnte ja nicht, dass ... Es scheint, als habe ich die ganze Angelegenheit zunächst völlig falsch bewertet.«
»Das steht zu vermuten«, erwiderte Ernestine ruhig, dann lächelte sie milde. »Nun, wir sind ja hier, um dieser Angelegenheit auf den Grund zu gehen. Ich möchte die Handlungsweise meiner Enkelin keinesfalls bagatellisieren, doch ich glaube, dass mit einer entsprechenden Entschuldigung Kimberlys und auch der anderen beteiligten Schülerin dieser Disput aus der Welt geschafft werden könnte, ohne unnötig Staub aufzuwirbeln. Was die Fehlstunden angeht, so kann ich Ihnen versichern, dass diese Problematik ab sofort der Vergangenheit angehört. Dafür stehen wir hier. Selbstverständlich wird Kimberly den versäumten Schulstoff ordentlich und zeitnah nacharbeiten.« Ein kleineres, mit den Füßen unter dem Tisch ausgetragenes Intermezzo ließ eine kurze, aber effektive Pause eintreten. Ich hob meine Beine lediglich etwas an, um mich aus der Schusslinie zu bringen, und blickte Mrs. Randal dabei weiterhin ohne erkennbare Reaktion ins Gesicht. Dann fügte Ernestine ernst hinzu: »Ich werde persönlich dafür Sorge tragen, Mrs. Randal.«
»Oh, das wird Mrs. Austen sehr freuen«, gab die Rektorin zurück. »Dann kann ich diese Sache zu den Akten legen.«
»Und was die ausstehenden Schulgebühren betrifft ...« Ich griff in meine Handtasche und zog mein Scheckbuch hervor. Geschäftsmäßig klappte ich es auf, zückte den daran angebrachten Kugelschreiber und warf Mrs. Randal dabei über den Rand der Lesebrille einen fragenden Blick zu. »... denke ich, dass wir das ebenfalls gleich aus der Welt schaffen können. Wenn Sie die Freundlichkeit hätten, mir die ausstehende Summe für dieses nebst der für das kommende Jahr zu nennen, werde ich Ihnen diese sofort begleichen. Sie nehmen doch einen Scheck?«
Bei der genannten Summe musste ich innerlich nun doch etwas schlucken. Über 8.300 Dollar als jährliches Schulgeld, dazu eine Pauschalsumme von knapp 350 Dollar, waren nicht gerade von Pappe. Aber wer sein Kind in New York von der Straße haben wollte und eine gute, private Schulbildung erwartete, musste entsprechend tief in die Tasche greifen. Daher schrieb ich die knappen 12.000 Dollar ohne ein Wimperzucken auf den oberen, von Darian bereits ausgefüllten Scheck, entnahm dem Heftchen das Papier und reichte es der Rektorin. »Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Mrs. Randal?«
»Ich ... Nein. Damit dürfte alles geklärt sein.« Sie ließ den Scheck in einer Schublade verschwinden, erhob sich und reichte mir ihre Hand. »Ich bin froh, dass wir es auf diese unspektakuläre Weise klären konnten. Danke für Ihr Kommen, Mrs. McNamara.«
»Gern geschehen.« Ein freundlicher Händedruck folgte, dann ein strenger
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