Blut Schatten
Sohn so neugierig war und in deinen Privatbereich eingedrungen ist.« Der Druck der großen Hände auf den Schultern des Kleinen wurde größer, und er blickte zögerlich auf. Reue war in seinen Augen allerdings nicht zu lesen, eher blickten sie mich trotzig an, als sei ich schuld – an was auch immer.
Nachdenklich ging ich vor dem kleinen Mann auf ein Knie und betrachtete ihn lange, ehe ich sagte: »Mich interessieren vielmehr die Gründe hinter deiner Tat, Val. Warum bist du zu mir geschlichen?«
»Weil ...« Er stockte, sah zu seinem Vater auf, dessen Miene mehr als deutlich machte, dass von dieser Seite momentan keine Hilfe zu erwarten war, und wandte den Blick wieder mir zu. Inzwischen wirkte er nicht mehr trotzig, sondern verlegen, als er herausplatzte: »Ich wollte nur das Baby sehen.« Diese Antwort verblüffte mich nun doch. Mein Blick huschte zu seinem Vater, dessen Miene emotionslos wirkte, wären da nicht diese amüsiert funkelnden Augen gewesen.
Mir war klar, dass der Ball weiterhin in meinem Spielfeld lag. Ich räusperte mich und lächelte schließlich. »Das wird kaum möglich sein, Val. Es ist noch nicht geboren.«
Da war er wieder, der kindliche Trotz, gepaart mit der entsprechenden Logik: »Und warum hat er dann gesagt, dass er es gesehen hat?«
Wie, bitte schön, sollte ich einem Vierjährigen Alistairs Handlung begreiflich machen, wenn ich sie selbst nicht ganz verstanden hatte? Mein Blick blieb erneut an seinem Vater hängen, der noch immer keine Anstalten machte, einzugreifen. Also schob ich ihm bewusst den Ball zu: »Ich denke, dass kann dir dein Vater viel besser erklären als ich.«
Die braunen Augen blitzten auf. Dieser Punkt ging an mich. Befriedigt stand ich auf und wartete zusammen mit dem Kind auf die entsprechende Antwort.
Diesmal ging der Vater vor seinem Sohn in die Hocke und sah ihn lange an. Dann wandte er sich an mich: »Darf mein Sohn deinen Leib berühren?«
Wortlos nickte ich und hob das T-Shirt ein wenig an. Zögerlich streckte Val seine kleine Hand aus, traute sich aber nicht, sie auf meinen leicht gewölbten Bauch zu legen. Abermals fiel der fragende Blick seines Vaters auf mich, und ich nickte wieder. Die große Hand legte sich über die kleine, und zusammen berührten sie bald ehrfürchtig meine Haut.
Was nun geschah, ist kaum in Worte zu fassen. Schlagartig wurde mir an der Stelle glühend heiß. Als würde Starkstrom in meinen Bauch fließen, begann es wie wild zu kribbeln und zu puckern. Zeitgleich sah ich etwas Leuchtendes zwischen Bauch und Händen entstehen, das sich mit einem Mal irgendwie entlud. Der Knall war lautlos, nur zu fühlen, und dabei so stark, dass ich leicht zurücktaumelte und Vater mitsamt Sohn nach hinten umfiel.
Verschreckt starrte ich auf meinen Unterleib, tastete hektisch darüber und suchte nach Brandblasen oder Ähnlichem. Doch da war nichts. Alles war wie immer, selbst die Temperatur war normal.
»Was war das?«, brachte ich endlich heraus und geriet noch mehr darüber durcheinander, dass Val zwar meine Empfindung spiegelte, sein Vater jedoch überaus erheitert wirkte.
Statt einer Antwort formte er seine Hände zu einer Schale, ließ sie kurz umeinander kreisen und beschrieb eine Geste, als wolle er aus offenen Händen etwas zu mir fließen lassen. Und dieses Etwas kam an, unendlich zart und weich wie Watte. Es breitete sich auf meinem Bauch aus und schien dann sehr vorsichtig einzusickern. Abermals fühlte ich eine Wärme, diesmal nicht heiß, sondern einhüllend, wie eine liebevolle Umarmung, einer zärtlichen Entschuldigung gleich. Das Gefühl wurde intensiver, durchdrang mich ganz, berührte etwas tief in mir, und nur mit Mühe konnte ich die aufsteigenden Tränen fortblinzeln.
Da drangen leise Worte an meine Ohren. Rollende Laute, kehlig, in einer fremden Sprache geflüstert. Obwohl ich sie nicht verstand, wusste ich intuitiv, dass es sich hier um ein Gebet handelte. Ein Gebet in der Sprache der Natives.
Es endete und eine schwere Stille legte sich um uns. Niemand wagte ein Wort, um dieses ehrfürchtige Schweigen nicht zu durchbrechen. Selbst Val hockte bewegungslos neben seinem Vater und sah ihn mit großen Augen an.
»Wakan Takan kici«, kam es von der Tür her, und mein Bruder trat ein.
Val sprang auf und eilte ihm entgegen, während Thomas sich langsam aufrichtete und ihm lediglich zunickte. Ich selbst schickte ihm ein großes gedankliches Fragezeichen.
»Ich sagte Gott segne dich«, antwortete er, hob den Jungen auf
Weitere Kostenlose Bücher