Blut Schatten
meinen Blickkontakt.
»Reinigt die Luft«, erklärte Thomas wie beiläufig und legte seine Arme wieder um seinen Sohn.
Der mir unbekannte Kräutergeruch legte sich wie ein abkühlender Schleier über unsere erhitzten Gemüter, und lediglich Steven erhob sich, um auf Distanz zu gehen. Darian schien es nichts auszumachen.
»Also gut«, meinte mein Bruder schließlich. »Es ist nicht mehr zu ändern. Aber merk dir für die Zukunft, Faye, dass ich einen solchen Alleingang von dir nicht noch mal schlucke. Wie viel schulde ich dir jetzt insgesamt?«
»Nichts«, gab ich leichthin zurück.
»Faye!«
»Was ist, großer Bruder?«
»Ich kann in der Schule anrufen und nachfragen«, drohte er.
»Dann mach das, falls es dir nicht zu peinlich ist«, konterte ich ungerührt.
Erneut landeten reinigende Kräuter aus Thomas' Hosentasche in der Glut und stoben als zischende Funken durch die Luft. Er begegnete meinem erbosten Blick mit einem höflichen Lächeln.
»Willst du nichts dazu sagen, Darian?«, wandte Alistair sich nun an meinen Mann, der dankend ablehnte: »Ich habe deiner Schwester meine Meinung dazu längst kundgetan. Von daher haltet mich da raus. Es ist allein eure Angelegenheit.«
Als willkommene Ablenkung diente mir nun Val, der in den Armen seines Vaters allmählich einzunicken drohte. Dankend nahm ich den Wink des Schicksals auf: »Der Junge gehört ins Bett. Habt ihr einen Schlafplatz für ihn fertig gemacht?«
Ohne ein Wort zu verlieren, blickte Thomas nach links, und ich folgte seinem Blick. Dann sah auch ich das winzige Pop-up-Zelt auf dem Dach und schüttelte ungläubig den Kopf. »Das ist jetzt nicht euer Ernst.«
»Wir schlafen meistens unter freiem Himmel«, machte Thomas sich nun wieder akustisch bemerkbar. »Wir beanspruchen das Sternenzelt über uns, die Geräusche des Lebens und die Gerüche von Mutter Erde um uns.«
»Hier herrschen Verkehrslärm und Smog vor«, erwiderte ich knapp.
»Lerne zu filtern«, gab Thomas ebenso knapp zurück, und als ich bereits den Mund zu einer Widerrede öffnete, fügte er hinzu: »Und lerne zu verstummen.«
Mein Mund klappte zu, und mein Blick flog herum, da mein Bruder sich fast ausschüttete vor Lachen. Selbst Darian schien mit einer gewissen Form der Erheiterung zu kämpfen, zuckte es doch verräterisch um seine Mundwinkel. Und obwohl ich innerlich nahezu erstickte, blieb ich wortlos.
Einzig Thomas zuckte nicht einmal mit der Wimper. Mit weiterhin ausdrucksloser Miene ruhten seine Augen auf mir. Wollte er mich prüfen? Wenn, wozu? Vorsichtig streckte ich meine Fühler in seine Richtung aus, als ich sofort Darians Stimme in meinem Kopf vernahm. Das ist keine gute Idee, Faye.
Für wenige Augenblicke verharrte ich, dann sah ich Thomas kaum merklich in Darians Richtung nicken. Hurtig zog ich die Fühler wieder ein. Konnte der Mann Gedanken hören?
Diesmal nickte er in meine Richtung, und ich verkniff mir gerade noch rechtzeitig das genervte Rollen mit den Augen. Erneut traf mich sein wissender Blick. Dann fühlte ich meinerseits, wie unsichtbare Tentakeln vorsichtig auf mich zukrochen. Drehte er den Spieß um?
Unterdessen war jeder Laut um uns herum erstorben. Es war so unwirklich still, als befänden wir uns mitten im Auge eines Tornados und nicht in einer lärmenden Großstadt. Hatte Darian dafür gesorgt? Ich wusste, dass er diese Fähigkeit besaß, alles um sich herum in Lautlosigkeit zu tauchen. Gleichzeitig spürte ich genau die mich beobachtenden Blicke. Selbst aus dem Hintergrund bohrten sie sich in meinen Rücken. Steven. Wollte jeder hier wissen, wie ich mich diesem indianischen Schamanen gegenüber verhalten würde?
Ich tat nichts, ließ ihn weiter an mich herankommen. Bis auf wenige Zentimeter. Niemand griff ein, niemand warnte. Unser stilles Duell wurde nur achtsam überwacht. Schließlich handelte ich instinktiv. Ich nutzte seine Energie als Träger, befand mich plötzlich mitten in ihm und erhielt in rasend schneller Abfolge diverse unausgegorene Informationen. Genau so schnell flog ich allerdings wieder aus seinem System.
Das Zucken seiner Wangenmuskeln war die einzig sichtbare Reaktion auf meinen Vorstoß, und auch ich verriet mit keiner Miene, was geschehen war. Und wieder vernahm ich Darians Worte in meinem Kopf, die diesmal jedoch nicht an mich gerichtet waren. Ich ließ dich wissen, dass auch das keine gute Idee ist, Thomas.
Dieser schickte ihm eine wortlose Bestätigung.
»Du hast es gewusst?«
Mein Mann küsste mich liebevoll auf
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