Blut Schatten
hatte sich das nun in offensichtlichen Zorn gewandelt. Ich erkannte es an seinen Augen, sie schienen mit einem Mal heller zu werden. Auch seine Gestik, seine Mimik, seine gesamte Haltung machte deutlich, dass er nicht bereit war zu weichen. Und doch war er kontrolliert. Noch.
»Willst du derjenige sein, der durch mein Blut eine weitere Kerbe in sein Holz schlägt?« Grüngelbe Augen blitzen zornig auf und zeigten die innere Wut, die in meinem Bruder schwelte und kurz davor stand, auszubrechen.
»Fordere dein Glück nicht heraus. Meine Geduld hat Grenzen. Ich lasse dich gewähren, weil sie dich liebt, weil du ihr Bruder bist, für den sie alles tun würde. Für den sie sogar ihr eigenes Leben aufs Spiel setzt. Aber stelle sie niemals vor die Wahl. Sie könnte anders ausfallen, als du es dir erhoffst.«
Schön, dass sie von mir sprachen, als wäre ich nicht anwesend. Glaubten die beiden etwa, ich würde sie so ohne weiteres aufeinander losgehen lassen? Es musste ein Ende finden. Sofort.
Vorbei war es mit der Bitte, und vorbei war es mit meiner schwesterlichen Zurückhaltung. Ich trat Alistair kräftig auf den Fuß. »Lass mich endlich los, verdammt!«
Schlagartig hatte ich seine volle Aufmerksamkeit. »Faye, ich kann dich ...«
»Umgehend«, forderte ich mit zornig blitzenden Augen. »Sonst garantiere ich für nichts mehr.«
Er zögerte noch, lockerte aber seinen Griff. »Bist du sicher, dass du das willst?«
Natürlich konnte ich ihn verstehen, fühlte seinen Zweifel und seine Sorge beinahe körperlich. Das minderte meinen Ärger beträchtlich. Er war mein Bruder, und ich hätte vermutlich ähnlich gehandelt, wenn die Situation umgekehrt gewesen wäre. »Vertrau mir, bitte. Ich weiß, was ich tue. Lass mich gehen.«
Zweifelnd sah er mir in die Augen, als suche er nach einer Antwort. Endlich ließ er mein Handgelenk los. »Okay. Wie du möchtest. Geh.«
Einmal noch strich ich ihm liebevoll über die Wange, dann ging ich zu Darian, der mich sogleich in seine Arme nahm. »Alles okay, Liebes?«
Schnell nickte ich. »Sicher. Er würde mir niemals etwas antun.«
Darian lachte freudlos. »Nein, dir sicher nicht.« Ein sanfter Kuss folgte, dann schob er mich Richtung Tür. »Geh zurück, Faye.«
Ich sah ihn fragend an. »Kommst du nicht mit?«
»Nein, ich möchte das hier ein für alle Mal klären.«
Mein Blick wanderte zu Alistair, der uns aufmerksam beobachtete, dann zurück zu Darian. »Das kannst du nicht tun.«
Abermals lächelte er matt. »Mach dir keine Gedanken. Ich kann dir versichern, dass es fair zugehen wird.«
»Okay«, meinte ich schließlich und gab auf, sie trennen zu wollen. Vermutlich musste es geschehen. Wenn nicht jetzt, dann später. So oder so würden sie aneinander geraten.
Mein Fuß berührte schon die erste Stufe, als mein Bruder mir nachrief: »Faye? Wer ist der Vater?«
»Du stehst ihm gegenüber«, kam Darian meiner Antwort zuvor.
»Das ist unmöglich!«
»Ich sagte dir, er ist anders.« Energisch zog ich die Tür hinter mir zu.
- Kapitel Acht -
I ch gelangte bis ins Zwischenstockwerk, dann ereilten mich Zweifel. Ich blieb stehen. Hätte ich doch bleiben sollen? Hätte ich sie auseinander halten sollen? Hätte ich es überhaupt gekonnt?
Nachdenklich blickte ich zurück. Ob es doch besser war, wenn ich umkehrte? Ein zorniges Fauchen, gefolgt von einem wütenden Brüllen, nahm mir diese Entscheidung ab. Ich rannte die Stufen hinauf, langte nach der Klinke und stemmte mich gegen die Tür. Geschockt rüttelte ich daran. Sie war verschlossen. Ängstlich presste ich mein Ohr dagegen, vernahm dumpfe Laute, dann prallte etwas gegen die Außenseite der Tür. Erschrocken wich ich zurück, knickte mit dem Fuß um und rutschte von der obersten Stufe. Wie in Zeitlupe sah ich meine Hand an der Klinke vorbeigreifen, verfehlte mit der anderen das Treppengeländer und kippte nach hinten über. Kurz ruderte ich mit den Armen in der Luft, dann verlor ich endgültig das Gleichgewicht. Ein Schrei stieg aus meinem Inneren auf, hallte durch das gesamte Gebäude. Das Kind. Bitte nicht das Kind. Instinktiv rollte ich mich zusammen, die Stufen kamen näher. Ein harter Aufschlag, ein schmerzerfülltes Stöhnen, dann wurde es dunkel.
Wie viel Zeit vergangen war, bis ich wieder zu mir kam, konnte ich nicht sagen. Ich hatte einen leichten Druck im Kopf, doch es ließ sich aushalten. Jedoch war mein Blick beeinträchtigt, denn ich konnte nichts um mich herum erkennen. Alles wirkte verschwommen und
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