Blut soll fließen
Vater alt und in Chicago wohnhaft. Ich habe keine nahen Freunde, während meine Beziehung zu Mr. Holly auf gegenseitiger Ausbeutung beruht. Und in Scotty Bennett habe ich einen unermüdlichen und gnadenlosen Feind. Wobei ich mit Sicherheit mehr über Scotty weiß als er über mich. Ich habe die gesäuberten offiziellen Berichte über die achtzehn bewaffneten Räuber studiert, die Scotty im Laufe seiner Dienstausübung erschossen hat. Alle waren schwarz. Alle wurden kurzerhand exekutiert, entsprechend dem ungeschriebenen LAPD-Gesetz, dass bewaffnete Räuber zu sterben haben. Der Polizist in mir billigt das brutale Verfahren, denn eine Vielzahl empirischer Daten belegt, dass die meisten bewaffneten Räuber Unschuldige töten und vorsorglich gestoppt werden müssen. Was Scotty zum Sonderfall macht, ist die Ausschließlichkeit der von ihm getöteten »Neger-Räuber«. Andere aggressive Raubdezernatsbullen sind da mit einem bunten Gemisch aus weißen und mexikanischen Abschüssen deutlich »chancengleicher«. Nicht Scotty. Der nicht.
Am vergangenen 5. August erfolgte ein Schusswechsel zwischen zwei Polizisten der University Division und vier Black-Panther-Anhängern. Die Polizisten überlebten, die Panther nicht. Zwei Tage später schickte Chief Redding Scotty mit Pizza, Bier und einem Pfund konfisziertem Marihuana ins Hauptquartier der Panther. Scotty hat sich, nach allem, was ich hörte, äußerst zuvorkommend benommen. Die Panther begrüßten ihn besorgt und wirkten ob seiner Geschenke verwirrt. Scotty gab ihnen den guten Rat, nie wieder auf Polizisten aus Los Angeles zu schießen. Sollten sie das noch einmal tun, wäre die Rache unmittelbar und brutal. Für jeden erschossenen, verwundeten oder getöteten L, A.-Bullen würde das LAPD sechs Black Panther töten.
Worauf Scotty ging. Er stellte sich keinen Fragen und ließ sich nicht auf eine Pizza-Schnitte oder ein kaltes Bier einladen.
Meine Bewunderung und mein Hass für Scotty Bennett halten sich in etwa die Waage. Erwaram24. Februar 1964 vor Ort. Er hat keine Ahnung, dass dies auch für mich gilt.
Ich war neunzehn. Ich hatte zwei Jahre zuvor an der Dorsey High School abgeschlossen und lebte mit meinen Eltern an der 84th, Ecke Budlong. Das Erste, was ich sah, war der Himmel. Man konnte eigenartige Farbprismen sehen, während ein beißender Gasgestank in der Luft hing. Ich stand auf dem Dach meines Hauses und sah jede Menge Polizeiwagen heranfahren. Der Sirenenlärm war ohrenbetäubend. Ich sah einen verunglückten Geldtransporter und einen Milchwagen und dunkle, auf dem Boden liegende Dinge, von denen Dämpfe aufstiegen. Ich sah einen hochgewachsenen Mann in Tweed-Anzug und Schlips vorfahren und sich die Szene einprägen.
Mein Vater scheuchte mich von meinem Beobachtungsposten. Drei Dutzend Polizisten sperrten die Straße ab. Bald kreisten Gerüchte: Die toten Räuber seien Weiße; die toten Räuber seien Schwarze; die Leichen seien bis zur Unkenntlichkeit verbrannt und rassisch nicht zu identifizieren. Das Fehlen des Räuber-Fahrzeuges verwies darauf, dass zumindest ein Mann entkommen war.
Es sind zwei Männer en tkomm en , Das weiß ich bestimmt. Möglicherweise weiß das auch Scotty Bennett. Ich kann Scottys Wissen nicht beweisen. Ich kann es nur spüren.
Das LAPD war in brutaler Stärke ausgerückt. Scotty ließ am Posten an der 77th bösartig wahllos »Verdächtige« aus der Gegend festnehmen. Die Anwohner waren empört. Ich war empört, Ich, ein Junge auf Abenteuersuche, streifte durch die Nebenstraßen hinter unserem Haus und genoss die Nähe zur Geschichte. So habe ich den zweiten Mann gesehen.
Er hatte sich hinter einer Reihe von Mülltonnen versteckt. Ein Halbwüchsiger von höchstens Anfang zwanzig und schwarz. Sein Gesicht war von Chemikalien verätzt, aber ein schützender Gazeverband, ein Mundschutz und eine schusssichere Weste hatten ihm das Leben gerettet. Ich brachte den Mann zu einem älteren Arzt in der Nachbarschaft; der Verletzte stand unter Schock und weigerte sich, den Raubmord auch nur zu erwähnen. Der Arzt behandelte seine Verbrennungen, gab ihm Morphium und ließ ihn ruhen. Scotty setzte seine rüden Untersuchungen fort. Festgenommene und freigelassene »Verdächtige« kamen mit Gesichts- und Körperverletzungen nach Hause und pinkelten Blut. Der Arzt beschloss, den Verwundeten nicht auszuliefern. Er hatte ihm das Leben gerettet und wollte keine körperlichen Misshandlungen riskieren, die den Tod seines Patienten zur Folge haben
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