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Blut soll fließen

Blut soll fließen

Titel: Blut soll fließen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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Gefühl, dass was nicht stimmte.
    Sie hob einen kleinen kurzläufigen Revolver. Sie schoss ihm sechs Mal ins Gesicht.
    DOKUMENTENEINSCHUB : 24.03.72. Auszug aus dem privaten Tagebuch von Karen Sifakis.
    Die folgenden Seiten werden mein Geständnis sein, falls es denn so weit kommen sollte. Ich werde nicht fliehen. Ich werde nicht lügen, wenn ich offiziell befragt werde. Ich werde meine grässliche Tat weder persönlich noch politisch rechtfertigen. Ich beging sie, weil ich Dwight Holly aus tiefster Seele liebte und weil die andere Frau, die er liebte, nicht die nötige Entschlusskraft hatte. Ich bin entschlossen, ohne Dwight weiterzuleben, und bete, im Namen unserer Kinder, um die nötige Kraft.
    Ich habe die Tat im Zorn begangen. Ich hielt nicht inne, um zu beten oder um einige Augenblicke nachzudenken. Ich bin zu Dwights kleinem Bungalow gegangen und fand eine einzige Belastungswaffe in einer Schachtel. Ich tötete im Geiste mutwilliger Apostasie. Ich denke nicht daran und werde nie daran denken, meine persönliche Verantwortlichkeit für diese Tat zu bestreiten. Dwight hat seine Operation abgebrochen und ein Leben geschont. Mein hartnäckiges Predigen der Gewaltlosigkeit hat seine Entscheidung beeinflusst. Seine entschiedene Verurteilung der eigenen abscheulichen Taten hat mich dazu gebracht, gewaltsam den Preis anzuerkennen, den er zahlen musste, um die eigene Vergangenheit zu widerrufen und nach Transzendenz zu streben. Ich hätte es nicht ausgehalten, hätte ich nicht den Kreis zwischen dem tapferen Mann und der Frau geschlossen, die ich ausschickte, ihn zu lehren. Unsere dreifache Bindung soll in mir weiterblühen und gedeihen. Meine Tat war ein Versuch, alle Schulden zu begleichen und unsere Zusammengehörigkeit fortzusetzen, jetzt, wo die eine handlungsunfähig ist und der andere tot. Ich durchschaue das Grandiose und Trügerische meiner Feststellungen, während ich sie niederschreibe. Das kümmert mich nicht. Ich werde stets zu meiner Tat stehen.
    Ich fühle nun die Bedeutung von Dwights Vaterschaft. Ich werde mich nicht damit aufhalten, ob ich es ihm nicht früher hätte sagen sollen. Er hat es ein bewusstes Aufflackern lang gewusst und wird es in der Welt, die da kommen mag, wissen. Ich werde den Namen unserer Tochter zu gegebener Zeit zu Holly ändern.
    Dwight lag mehr an Marshall Bowen, als er je zugab. Bowen ist vor einigen Monaten in Haiti gestorben. Ich werde seine Leiche in die Staaten bringen und gemeinsam mit Dwight begraben lassen. Ich werde dafür sorgen, dass sich in unmittelbarer Nähe ihrer letzten Ruhestätte einige zahme Ziegen befinden.
    (Los Angeles, 26.03.72)
    Sie war drinnen. Sie ist nie rausgekommen. Er hatte sie seit Tagen beobachtet.
    Er hatte gestern Abend mit Clyde gesprochen. Die Gerüchteküche kochte. Dwight Holly war tot. Ein paar Räuber hatten Scotty erschossen. Clyde hatte alle möglichen Theorien entwickelt. Alles falsch. Er hatte Röntgenaugen. Nur er wusste, was es damit auf sich hatte.
    Sie blieb drinnen. Er schlief in seinem Wagen und beobachtete die Fenster. Er hatte sie einmal gesehen, vor zwei Tagen. Sie hatte in den Schrank geschaut, wo vorher die Schachteln standen. Sie hatte zerschlissene Jeans und eines von Dwights Jacketts getragen.
    Er fing an, die Tage zu zählen, seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Er hörte bei tausend auf. Er sah sich die Bilder auf dem Armaturenbrett an und verlor die Beherrschung. Er rannte hinüber und drückte den Türschnapper mit einem Metallband auf.
    Die Tür schwang auf. Sie saß auf dem Boden. Ihr Gesicht war aufgedunsen und von Tränen überströmt. Sie hatte sich ein paar Haarsträhnen ausgerissen. Ihre Handgelenke waren blutverkrustet. Ein Messer steckte in der Wand gegenüber. Daneben hatte sie, mit Blut, das Wort Nein geschrieben.
    Fast wäre er auf ihre Brille getreten. Sie sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. Er hob die Brille auf und ging zu ihr. Sie schob sich von ihm weg und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand.
    Er reichte ihr die Brille. Sie setzte sie auf. Ihre Augen fanden durch Tränen zu einem Blick. Sie sah zu ihm auf.
    »Miss Klein, ich heiße Donald Crutchfield. Ich bin Ihnen seit sehr langer Zeit gefolgt und wäre dankbar, wenn Sie mit mir reden würden.«
    SECHSTER TEIL
    GENOSSIN JOAN
    26. MÄRZ 1972-11. MAI 1972
    Joan Rosen Klein (Los Angeles, 26.03.72)
    Sie hatte ihn gesehen. Ein Gesicht, das immer wieder auftauchte, eine unbestimmt wahrgenommene Präsenz. Er hatte etwas von einem Chamäleon.

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