Blut soll fließen
er linke Neigungen unterdrückte. Für einen derart kompromittierten Mann mochte Franzmännchen nicht morden.
Also durfte Crutch weiterleben und an seinem »Fall« arbeiten und den magischen Bannkreis zu schließen versuchen.
Am Telefon unterhielten sie sich ausschließlich über Kuba. Eine herrliche Insel. Ein Touristen-Mekka. Ein von den Roten Socken vergewaltigtes Paradies. Jack Kennedy hatte die Schweinebucht-Invasion verraten. LBJ sich an Castro rangeschmissen. Vom nächsten Präsidenten war dieselbe arschkriecherische Politik zu erwarten. Der Franzmann gierte danach, Rote Socken zu marodieren und die karibische Insel der Seligen zurückzuerobern. Weißer Sand. Elegante Kasinos, die verstaatlicht und in Drittwelt-Schweinetröge verwandelt worden waren. Braune Frauen in rosa Bikinis.
Crutch blätterte die Bibliotheksbücher durch und riss die wichtigsten Fotos raus. Das musste man gesehen haben: Fulgencio Ba-tista, der mit Jane Russell knutschte. Den Dach-Swimmingpool im Capri. Magere Bäuerlein, die sich vor Rikschas mit wohlbeleibten Herren spannten.
Er klebte die Bilder an die Wand. Er riss ein Bild von einem schäumenden Fidel Castro raus. Der Franzmann bezeichnete Castro als »den Bart«. Ein einziges Rotes Läusenest.
Crutch klebte das Castro-Bild an die Wand und benutzte es als Zielscheibe fürs Taschenmesser. Sechs von vier Würfen trafen. Das Bart-Bild zerfiel zu Fetzen.
Das Telefon klingelte. Crutch trat den Hörer hoch und fing ihn auf. »Hola, iQue talh< - »Häh?«, erwiderte der Anrufer.
Das Messer fiel von der Wand. Fidel war jetzt mucbo zerfetzt. »Larry von der P. C.-Bell-Telefongesellschaft. Buzz Duber sagte, ich solle bei Ihnen anrufen. Ich habe einen Hinweis auf den illegalen Anschluss gefunden.«
Crutch schnappte sich einen Skizzenblock. »Ich höre.«
»Ein Haus an der Carmina Perdido in Santa Barbara. Der Mieter heißt Sam Flood. Mehr weiß ich nicht.«
Das war sehr viel. »Sam Flood« war ein bürgerlicher Deckname von Sam Giancana. Das wusste er von Clyde. Sam G. hatte Gret chen/Celia bei Bev's Switchboard angerufen.
Larry schimpfte - he, Mann, wo bleibt mein Geld? Crutch legte auf und schrieb »Illegaler Anschluss/Giancana« aufs Wanddiagramm.
Die Worte vibrierten nach. Crutch versah sie mit einem Kranz aus kleinen Fragezeichen. Er hatte das Bedürfnis, Joan zu zeichnen. Er klebte die Verbrecheraufnahme aufs Diagramm und griff zu Papier und Bleistift.
Er erfasste ihre Härte und ihre Sanftheit, aber in unterschiedlichen Porträts. Er schaffte es nie, sie in einem Bild ganz zu erfassen. Er versah sie mit mehreren Frisuren. Und verwirbelte und entwirbelte die herrlichen grauen Strähnen jedes Mal anders.
(Las Vegas, 19.08.68 )
Die Beerdigung war kurz. Der Pfarrer beeilte sich. Sturmwolken verhießen Regen. Die Grabrede war mit himmlischen Golfplatz-Metaphern gespickt.
Janice Hartnett Lukens Tedrow: 1921-1968.
Carlos Marcello und Dwight Holly nahmen teil. Farlan Brown nahm teil. Dracula hatte Blumen für fünf Riesen geschickt. Die halbe Caddy-Truppe vom Dunes und Sands war erschienen.
Wayne hielt sich hinten. In der trockenen Luft fielen erste Tropfen. Der Friedhof war nach Rassen getrennt. Eine Straße grenzte die Weißen- von der Negerabteilung ab. In der Negerabteilung arbeiteten Neger-Totengräber. Die Totengräber für die Tedrows waren Blackjack-Croupiers außer Dienst. Sie trugen rote Westen, Krawatten und Augenschirme. Die Angst vor dem Regen machte sie nervös.
Die himmlischen Golfplatz-Sprüche zogen sich hin. Wayne blickte über die Straße. Wo eine große Beerdigung begann. Limousinen, ein Leichenwagen, ein mit Rosen bedeckter Pritschenwagen. Jede Menge schwarzgekleideter Schwarzer.
Wayne ging hinüber. Man beachtete ihn nicht. Er sah eine Tafel. Mit Datum und Namen des Verstorbenen: Reverend Cedric D. Hazzard.
Der Leichenwagen parkte nahebei. Vier Männer holten den Sarg heraus. Ein Pfarrer trat hinzu und öffnete die Beifahrertür. Eine Negerin stieg aus. Der Pfarrer bemühte sich um sie. Sie speiste ihn mit schmalem Lächeln und knappen Gesten ab.
Sie trug ein schwarzes Krepp-Kleid, einen Pillbox-Hut und keinen Schleier. Sie blickte zur Straße und bemerkte Wayne. Einen kurzen Augenblick sahen sie sich an.
DOKUMENTENEINSCHUB : 20.08.68. Seattle Post-Intelligencer, Schlagzeile und Untertitel:
NIXONS ZUSTIMMUNGSRATE STEIGT NACH PARTEITAG EX-VIZE VERGRÖSSERT VORSPRUNG AUF WAHRSCHEINLICHEN HERAUSFORDERER HUMPHREY
DOKUMENTENEINSCHUB : 20.08.68. Milwaukee
Weitere Kostenlose Bücher