Blut soll fließen
Beileid zum Verlust Ihres Mannes.«
»Beileid angenommen. Aber wenn wir schon offen miteinander sind, möchte ich hinzufügen, dass Cedric bis zur Selbstvergessenheit voll des Eifers war und dass er bei Pappy Dawkins um 02:00 früh nichts zu suchen hatte.«
Wayne sah sich nach einer Kellnerin um. Zwei Kellnerinnen fingen seinen Blick auf und schauten weg. Ein kleiner schwarzer Junge beugte sich aus seiner Nische vor und starrte sie an. Zwei kleine weiße Mädchen wiesen mit dem Finger.
»Sie sind sehr nervös, Mr. Tedrow. Wenn Sie Kaffee bestellen wollen, sollten Sie noch einmal darüber nachdenken.«
Wayne lächelte. »Davon einmal abgesehen, will man mich hier gar nicht bedienen.«
»Das wird man schon, wenn Sie nur genug Wirbel machen.«
»Oder eine entsprechende Show abziehe.«
Mary Beth lächelte. »Ihre Vorstellung vor den Streikposten war beeindruckend. Wobei man sich fragt, was Sie damit eigentlich bezwecken wollten, doch ich will deshalb nicht weiter in Sie dringen. «
Wayne rutschte unruhig hin und her. Mary Beth schob ihm ihre Kaffeetasse zu. Wayne wärmte sich daran die Hände.
»Ich möchte Ihnen für Ihre Unterstützung bei der Beilegung des Streiks danken. Es heißt, dass Sie Mr. Hughes überzeugt haben.«
»Ja, das trifft zu«, sagte Wayne.
»Und warum haben Sie das getan?«
»Sie meinen, angesichts meiner Vorgeschichte?«
Mary Beth berührte die Kaffeetasse. »Die ich nicht so streng beurteile wie wohl die meisten Schwarzen hier.«
Wayne berührte die Kaffeetasse. Seine Hände berührten beinahe ihre. Sie ließ sie dort liegen. Er zog seine zurück.
»Warum?«
»Sie haben diese Männer getötet, als Sie nach Wendell Durfee suchten, und deswegen erhalten Sie von mir, was das angeht, einen Freispruch.«
Die Leute schauten sie an. Ein dicker großer Schwarzer und ein hochgewachsener dünner Weißer glotzten ungeniert. »Warum, Mrs. Hazzard?«
»Weil Leroy Williams und die Swasey-Brüder den Stoff geliefert haben, der meine Schwester umgebracht hat. Weil Wendell Durfee mich am 19. April 1951 vergewaltigt hat. Deshalb neige ich dazu, Ihnen Ihr unbedachtes Verhalten zu vergeben und durchaus sympathisch zu finden.«
Wayne schaute auf seine Hände. Sie zuckten und stellten die Kaffeetasse schräg. Etwas Kaffee lief über Mary Beths Hände. Was sie nicht zu bemerken schien. Sie ließ ihre Hände an Ort und Stelle.
»Ich habe über Ihren Sohn gelesen. Will sagen darüber, dass er verschwunden ist.«
»Er war ein brillanter Junge. Er hat sehr viel von Chemie verstanden.«
»Ich bin Chemiker.«
»Ja, das hat man mir gesagt.«
»Haben Sie sich nach mir erkundigt?«
»Ja, das habe ich.«
»Warum?«
Mary Beth zog ihre Hände zurück. »Sie bedrängen mich. Fordern Sie mich nicht auf, Dinge zu sagen, die ich zurzeit nicht sagen will.«
Wayne sah sich im Diner um. Der ganze gottverdammte Raum schaute zu ihnen rüber.
»Sie haben über Ihren Sohn in der Vergangenheitsform gesprochen. Halten Sie Ihren Sohn für tot?«
Mary Beth schüttelte den Kopf. »Manchmal tue ich das, manchmal nicht. Manchmal ist tot leichter zu ertragen, manchmal nicht.«
»Fehlt er Ihnen?«
»Ja, er fehlt mir sehr.«
»Ich werde ihn für Sie finden«, sagte Wayne.
ZWEITER TEIL
MIST-MAGNET
SEPTEMBER 1968- 20. JANUAR 1969
DOKUMENTENEINSCHUB : 12.09.68. Interner FBI-BERICHT. Bezeichnung: »Vertraulichkeitsstufe 1/Einsichtnahme nur für Direktor/Nach Lektüre vernichten.« An: Direktor Hoover. Von Special Agent Dwight C. Holly.
Sir,
OPERATION BÖÖÖÖSER BRUDER ist einsatzbereit, Tarnfirma und Anschubfinanzierung sind gesichert, die polizeilichen Akten der Zielgruppen und deren Mitglieder ausgewertet, der V-Mann, der in einem ebenso plausiblen wie provozierenden operationeilen Zusammenhang eingeschleust werden wird, steht fest. FBI-Informant Nr. 4361 hat mich auf eine potentielle vertrauliche Informantin (weiblich) hingewiesen, deren FBI-Akte ich aus dem Zentralarchiv angefordert habe und vor einem ersten Treffen gründlich durcharbeiten will. Die BLACK TRIBE ALLIANCE (BTA) und die MAU-MAU LIBERATION FRONT (MMLF) sind, wie aus anschließendem Abriss ihrer »Führer« ersichtlich, in krimineller und politischer Hinsicht nahezu identisch zu bewerten. Beide Gruppierungen haben, wie kürzlich erwähnt, eine kriminelle Ausrichtung, verfügen über eine Trägerschaft aus Berufskriminellen und sind fest entschlossen, ihre Absichten auf kriminellem Wege zu erreichen. Da es sich um politische Rivalen handelt, besteht
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