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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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massiven Eingangstüre aus Eiche näherten, loderte eine Lampe über ihnen auf. Der Bewegungsmelder hatte angeschlagen.
    Vor dem Holz blieben sie stehen. Ein Fensterchen mit Butzenscheibe war auf Augenhöhe eingelassen, ebenfalls dunkel wie die Nacht.
    Erik klingelte. Erneut brandete ohne Vorwarnung ein sengender Schmerz durch seinen Brustkorb, heftiger dieses Mal, und ließ ihn keuchen. Er taumelte einen Schritt zur Seite, doch dann packte ihn ein schraubstockartiger Griff unter der Achsel.
    »Gleich wird dir geholfen. Halte noch etwas durch.«
    Alexander drückte ein weiteres Mal auf den erleuchteten Druckknopf, hielt den Finger für gute zwanzig Sekunden darauf.
    Die Dunkelheit hinter dem Fensterchen verschwand, färbte sich golden. Eine Tür im Inneren des Hauses klackerte und Erik gewahr einen Schatten, der sich auf sie zubewegte.
    Die Eingangstüre wurde geöffnet.
    Der Mann, der im Türrahmen erschien, trug einen Pyjama, grau rot kariert mit Kragen, und Birkenstock mit Lederschnalle. Um seine Schulter hing noch zusätzlich ein weißer Bademantel, der hastig übergestreift worden war. Das Gesicht war vom ersten Dunkel des nachwachsenden Bartes überschattet und eingerahmt von wirr abstehenden, grauen Locken.
    Als Dr. Ruppert Hawelka seinen alten Freund unter dem ganzen Blut erkannte und das Waffenarsenal aus Pistolen, Handgranaten und Messern seines Begleiters wahrnahm, der Erik unter der Achsel auf den Beinen hielt, wich alle Farbe aus seinem Gesicht.
    »Du lieber Himmel!« war alles, was der Arzt hervorbrachte.
    ***
    Mit aller Kraft trat Natalja nach ihrem Peiniger. Dieser fing den Hieb spielerisch ab, packte sie und zerrte sie hinaus aus der muffigen Staubigkeit des Kofferraums.
    »Lass mich!« schrie sie und versuchte sich dagegen zu wehren, doch je mehr sie sich wand, umso tiefer schnitt der Kabelbinder, den der Mönch ihr straff um die Handgelenke gebunden hatte, in ihre Haut. Ihre Finger waren bereits beinahe taub.
    Als Natalja ihre neue Umgebung wahrnahm, verließ sie der Mut. Sie befand sich in einem duster erleuchteten Innenhof. Wenige Lampen, die in gusseisernen Fassungen an der Front eines steinernen Gemäuers angebracht waren, verströmten trübe Helligkeit, dazu noch das Standlicht des Wagens. Mittelalterliche Mauern, dicht mit Pflanzen bewachsen, erstickten jeden Fluchtversuch mit geknebelten Händen im Keim. Sie würde in diesem Zustand nicht klettern können. Aus dem Augenwinkel gewahrte sie ein breites, offenes Tor, offensichtlich der einzige Ausgang aus diesem Ort.
    Und dann dämmerte es ihr.
    Sie befand sich im Kloster!
    Mitten in der Höhle des Löwen. Genauso hatte Erik das Kloster bei einem gemeinsamen Abendessen beschrieben. Der Gedanke an Erik, wie er eingeklemmt unter dem gewaltigen Baum lag, trieb ihr die Tränen in die Augen, doch jetzt war keine Zeit an ihn zu denken. Sie musste fliehen!
    Mit einer verzweifelten Kraftanstrengung wollte sie sich losreißen. Wenn sie es schaffte, konnte sie durch das Tor in die Dunkelheit flüchten. Ihre einzige Hoffnung. Ihre einzige Chance. Ihre Füße waren nicht zusammengebunden.
    Doch der Mönch schob sie unbeirrt vor sich her, weiter weg vom rettenden Wald. Er registrierte zwar ihr Aufbegehren, doch er ignorierte es.
    »Arschloch!« keifte sie. Dann sah Natalja den zweiten Löwen. Dieser trug zwar keine Kutten, sondern ordinäre Alltagskleidung, aber wer sich mitten in der Nacht auf dem Hof eines Waldklosters befand, war entweder ein Mönch oder ein Freund der Abtei. Dieser Mann würde zu ihrem Entführer stehen, daran bestand kein Zweifel.
    Natalja ließ sich kraftlos in die Arme des Mönchs fallen, der sie vor sich herschob.
    »Beweg dich!« zischte der Mönch verärgert.
    Natalja rührte sich nicht. Zwei Männer gegen eine Frau. Ihre Chancen auf Rettung waren spätestens jetzt gleich Null. Warum dann nicht ihre Kräfte schonen? Vielleicht würde ihr Bruder erneut aus der Nacht auftauchen und sie dieses Mal befreien. Sie hatte keine Ahnung, was vor wenigen Minuten passiert war. Im Wald hatte sie Alexander noch hinter sich gesehen, dann war er plötzlich kopfüber im Waldboden verschwunden.
    Der Mann ohne Ordensgewand, vielleicht in Eriks Alter, kam mit weit aufgerissenen Augen auf sie zugelaufen.
    »Raphael!« vernahm sie hinter sich den Mönch rufen. »Du bist schon zurück. Das ist gut!«
    Raphael!
    Perplex blickte Natalja wieder auf und musterte den heranschreitenden Mann. Er hingegen gaffte sie an, als würde er einfach nicht glauben, sie

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