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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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Gewicht zu einem sicheren Stand. Erik wurde klar, dass Alexander von hier aus schießen wollte.
    Entgeistert blickte er zurück zu dem Schemen. Für den Hauch einer Sekunde drehte der Mann seinen Kopf ins Licht und offenbarte sein Gesicht. Der Rabe stieß für Erik hörbar die Luft durch die Zähne. Er kannte den Grund: Der Mönch war Reimund.
    »Perfekt!« hauchte der Rabe in die Nacht und der Lauf der Maschinenpistole fuhr automatisch herum. »Tötest du den Kopf der Bande, zerschlägt sich der Rest von selbst. Das hat mir mein Onkel beigebracht.« Ein freudloses Grinsen huschte über sein Gesicht.
    Nein, dachte Erik. So kann es nicht enden. Alexander war vielleicht mit Bruder Raphael fertig, aber er nicht mit Reimund Schell. Die persönlichen Dinge mussten geklärt werden.
    Zu seiner eigenen Überraschung hörte sich Erik plötzlich schreien: »REIMUND!« Gleichzeitig platzte er geräuschvoll aus seinem Versteck und rannte los.
    »Idiot!« vernahm er noch gezischt hinter sich, doch Erik war egal, was Alexander nun tun würde. Er konnte gerne das Kloster in Schutt und Asche legen, aber vorher würde er mit Reimund seine Differenzen klären. Er wollte wissen, warum Reimund versuchte, ihn umzubringen. Warum Elias seinetwegen im Koma lag. Und was hatte es mit dem Kloster überhaupt auf sich? Nur drei der unzähligen Fragen, die Erik auf der Zunge brannten.
    So einfach kommst du mir nicht durch die Finger, schwor er sich, während er die leichte Böschung hinab rannte und versuchte, sich nicht auf dem unebenen Boden das Genick zu brechen. Knackende Äste in seinem Rücken verrieten ihm, dass der Rabe ihm ebenfalls folgte - und das nicht langsam.
    Sein Blick suchte wieder Reimund, der am Ende der Brücke stehen geblieben war und die Dunkelheit absuchte. Seine Fußspuren waren deutlich im Schnee zu sehen. Wahrscheinlich erkannte er rein gar nichts, mutmaßte Erik, denn wo er und Alexander sich versteckt hatten, war außer Schatten und Schwarz nichts gewesen. Wenn Reimund keine Augen wie eine Katze hatte, dann sah er höchstwahrscheinlich nur dunklen Wald.
    Doch statt länger zu verharren, setzte sich Bruder Raphael wieder in Bewegung und rannte nun hinein in den Hof. Flocken wurden von seinen Roben durch die Luft gewirbelt.
    »BLEIB STEHEN, REIMUND!« brüllte Erik nochmals aus vollem Hals seinem früheren Freund hinterher. Seine Beine durchbrachen kratzende Sträucher und strudelten Laub auf. Wie durch ein Wunder geriet er nicht ins Stolpern.
    Mit einem letzten Satz sprang er über einen kleinen Bach, der in das wässrige Moor mündete, das die äußeren Klostermauern umgab.
    Er sah, wie Reimund erneut stehen blieb und sich zu ihm umdrehte. Gleichzeitig hob er die Hände weit in den Himmel. Die Roben flatterten dabei geisterhaft durch die kristallkalte Luft.
    »VORSICHT! IN DECKUNG!«
    Die Warnung war so laut, dass Alexander nur wenige Meter neben ihm stehen konnte. Er blickte über die Schulter in dessen Richtung. Gleichzeitig wurde die Nacht zum feurigen Tag und die erdrückende Stille des Waldes zur hämmernden Hölle des Krieges.
    Die Kalaschnikow des Raben begann ratternd zu brüllen.
    ***
    Die Sonne explodierte keine fünfzig Meter entfernt jenseits der Brücke.
    So musste sich Gott gefühlt haben, als der Urknall aus dem Nichts entstanden war, dachte Reimund und hechtete halb blind von der blendenden Helligkeit zur Seite. Seine Chancen standen nicht gut. Das wusste er. Er hatte nur Erik als Schemen gesehen, ansonsten hätte er wenigstens die Richtung gewusst, aus der der eiserne Tod kam. Aber so lag sein Schicksal nun in anderen Händen.
    Er hörte ein mehrmaliges Rattern, das Einschlagen des Hammers auf den Schlagbolzen, der den Schuss auslöste, und er spürte etwas an sich vorbeizischen, doch der erwartete verheerende Einschlag in seinen Körper blieb aus. Stattdessen krachte er mit der Schulter voran auf den Schotter des Innenhofes, rollte hastig ab und stürzte sofort mit rudernden Armen weiter. Sein Blick hatte sich wieder geklärt. Er sah zumindest Formen und Muster. Zum Glück kannte er hier jeden Stein. Es waren noch gute zehn Meter bis zum nächsten Gestrüpp. Das musste er erreichen.
    Erneut brandete eine Salve von Geschossen hinter ihm hinweg. Er zog den Kopf instinktiv zwischen die Schultern, um ein kleineres Ziel abzugeben und rannte weiter. Einschläge kamen hörbar näher. Split sirrte neben ihm durch die Luft. Jemand brüllte etwas, doch über den pochenden Lärm hinweg verstand Reimund kein

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