Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
Vom Netzwerk:
Schreibtischplatte und ließ sich in den weichen Bürosessel sinken. Das Leder fühlte sich kühl und glatt an. Das waren wahrlich erfreuliche Neuigkeiten. Kühnle würde nun mit Sicherheit auf sein Angebot eingehen. Was blieb ihm auch sonst anderes übrig? Mit einer Bauruine konnte er wenig anfangen und wenn er nicht vollkommen blöde war, würde er das Geld der Versicherung im Brandfall einsacken, sich ein Grundstück kaufen, dort ein neues Haus bauen und mit dem Geld von ihm sich ein ansehnliches Zinssümmchen jährlich auszahlen lassen. Nein, diese Nuss war geknackt. Mit Sicherheit. Fehlte nur noch das Kloster.
    ***
    Das Feuer prasselte mit ungehemmter Wucht. Abertausende Funken stoben in den dunklen Nachthimmel, es zischte und knackte, Balken brachen und Fensterscheiben barsten durch die enorme Hitze. Das Wohnhaus stand vollständig in Flammen. Meterhoch züngelten sie in die Dunkelheit, erhellten das Anwesen des Waldbauern mit flackerndem Licht.
    Alexander Kowalski stand etwa einhundert Meter entfernt auf einer kleinen Anhöhe zwischen Tannen und dichten Zweigen verborgen, sein Blick starr auf das leuchtende Schauspiel gerichtet, das er selbst heraufbeschworen hatte. Er wirkte ruhig, ein cooler Hund wie Bruce Willis, doch innerlich war er zum Bersten gespannt. Sein Kiefer schmerzte bereits vom Zusammenpressen, doch er konnte sich nicht entspannen.
    Die Brandbombe hatte mehr als zufriedenstellend funktioniert und der gesamte Einsatz verlief reibungslos. Bis jetzt.
    Er lief nur langsam Gefahr, zu lange am Tatort zu bleiben. Das wusste er. Eigentlich hätte er schon vor über zehn Minuten verschwinden können, denn das Haus war zu diesem Zeitpunkt bereits so in Flammen gestanden, dass er sicher sein konnte, seinen Auftrag erfüllt zu haben. Aber der Brand und das Feuer fesselten ihn, lähmten ihn, zwangen ihn zu bleiben - gegen alle Vernunft.
    Er spürte trotz der Gesichtsmaske die Wärme des Feuers auf seiner Haut. Immer wieder wehte eine Windböe einen Schwall Hitze herüber, geschwängert mit dem Geruch verbrannten Holzes. Dazu wirbelten Ascheflocken durch die Luft.
    Kowalski lauschte angestrengt, doch er konnte die wahre Kakophonie eines Häuserbrandes nicht hören. Nicht wie damals. Die Schmerzensschreie der Menschen, das Jaulen und Stöhnen, das Wimmer, das direkt aus der Hölle stammen konnte, fehlten einfach vollständig. Wer hätte auch schreien sollen? Der Hausbesitzer Kühnle war mit seiner Ehefrau Gerda etwa vierzig Kilometer entfernt auf der Hochzeit eines fernen Verwandten und verleibte sich wahrscheinlich gerade vom Mitternachtsbuffet Hackfleischbällchen mit Kartoffelsalat und Safransoße und anschließend eine Kirsch-Mandel-Sahnetorte ein.
    Diese Hochzeit war Alexander allzu passend gekommen, denn er hatte sich somit nicht um deren Abwesenheit kümmern müssen. Und auch Hund Fridolin, ein ansehnlicher, cremefarbener Labrador Retriever der Familie Kühnle, war vorher zu Bekannten gegeben worden. Somit bellte auch kein angeketteter Hund, den die Hitze zu versengen drohte oder keine eingesperrte Katze kreischte hysterisch im Angesicht des lodernden Todes. Einzig die Geräusche des Feuers waren zu hören.
    Anders war es vor über zehn Jahren gewesen, am ersten Heilig Abend des neuen Jahrtausends. Etwa 1000 Kilometer östlich von seinem jetzigen Standort, in einem weit außen gelegenen Randbezirk von Warschau, inmitten eines Waldstückes, wo die ausladende Villa seines Onkels Sergei zwischen Tannen und Büschen stand, hatte sich ein ähnliches Schauspiel ereignet. Die Villa hatte genauso gebrannt, nur noch ungestümer, als hätte der Teufel persönlich ein Tor zur Unterwelt aufgestoßen und mit seinen lodernden Klauen nach dem Anwesen gegriffen.
    Die beiden wuscheligen, schneeweißen Angorakatzen seines Onkels, die sonst majestätisch über die dicken, purpurroten Teppiche wandelten, als wären sie prunkvolle Könige, kreischten schrill um ihr Leben. Ihre sonst so weichen Pfoten krallten sich hämmernd gegen die verschlossene Eichentüre, in der Hoffnung, ein Loch hinein zu kratzen. Ihre gellenden Laute fuhren Alexander durch Mark und Bein, ließen ihn innerlich erzittern und jagten ihm heute noch eine Gänsehaut über die Arme, wenn er eine Katze kreischen hörte. Dazu mischte sich der penetrante Geruch verbrannten Haares und menschlichen Fleisches. Er hatte damals die Katzen retten wollen, doch dafür war keine Zeit gewesen. Er hatte sie zurückgelassen um seine eigene Haut in Sicherheit zu

Weitere Kostenlose Bücher