Blut und Harz
Lichtkegel schälten sich langsam durch die Landschaft, steuerten den Parkplatz des Krankenhauses an.
»Wir haben Pläne geschmiedet. Ich träume schon lange von einem eigenen Laden. Verstehst du? Mir gefällt es auf meiner Arbeit, aber ich möchte mein eigener Chef sein, meine eigenen Pläne verwirklichen. Eine Festanstellung ist gut und schön, aber was Eigenes ist einfach besser. Ich würde den Laden aufbauen, die Kunden beraten. Elias könnte den ganzen Wirtschaftskram machen, Werbung, Bestellungen, Bilanzen und zusätzlich im Laden helfen. Er kennt sich ja bestens mit Pflanzen aus, wahrscheinlich biologisch gesehen besser als ich.« Die Lichtkegel erloschen. Der Parkplatz wurde wieder in die undurchdringliche Suppe getaucht.
Natalja drehte sich langsam zu Erik um. Dieser musterte sie mit einer Mischung aus Spannung und Respekt. »Elias ist dazu noch technisch begabt. Ein Allroundtalent. Kann ordentlich arbeiten. Zusammen würden wir uns bestens ergänzen. Zumindest waren das Ideen, Vorstellungen, die wir hatten.« Sie seufzte leicht. »Was deine andere Frage angeht: Es wird zwei Wochen kein Problem sein mit meiner Arbeit. Meine Chefin ist äußerst kulant und wird angesichts der Situation Verständnis zeigen. Wie es nach den zwei Wochen weitergeht, weiß ich allerdings noch nicht. Ich habe keine Ahnung.«
Erik schwieg, sein Blick nun in die Ferne gerichtet. Natalja hatte das Gefühl, dass er durch sie hindurch in die trübe Weite des Himmels blickte. Vielleicht zu den verborgenen Sternen am Firmament.
»Das sind gute Pläne, Natalja«, meinte er nach einigen Sekunden mit leiser Stimme. »Elias hat nie etwas davon erzählt. Ich werde euch unterstützen, wenn ihr möchtet. Ich will euch nicht reinreden, aber ich kann die Startphase finanzieren. Geld ist genügend da. Zumindest möchte ich es euch anbieten.« Sein Blick klärte sich wieder, fixierte sie. »Und ich meine es ernst. Ich habe heute begriffen, dass ich Elias nicht zwingen kann, bei mir in die Firma einzusteigen. Wenn er einen Blumenladen mit dir zusammen aufmachen möchte, dann bitte. Das ist doch etwas Handfestes. Er könnte genauso gut mein Geld verpulvern und im Drogensumpf stecken. Nein. Eigentlich bin ich froh, dass er dich hat. Du bist eine gute Wahl für ihn.«
Natalja sah zum ersten Mal etwas wie vollkommene Aufrichtigkeit in Eriks Gesicht. Keine Hintergedanken, keine Intrigen, keine Absichten. Er sprach die reine Wahrheit. Das spürte sie.
Ein warmes Lächeln wanderte über ihr Gesicht.
»Danke, Erik. Elias weiß dieses Angebot sicher zu schätzen. Und ich auch.« Natalja trat vom Fenster weg. Sie strich dabei zärtlich über Elias Arm. Ja, Erik Ritter war nicht verkehrt. Er hatte es gerade bewiesen. Hinter seiner harten Schale steckte ein wachsweicher Kern.
»Bitte entschuldige mich«, sagte sie um das Thema zu wechseln. Sie wusste, dass sie bald in Tränen ausbrechen würde. »Ich muss mal kurz auf die Toilette.«
Erik nickte nur und wendete sich seinem Sohn wieder zu.
Leise schloss sie wenig später die Klotür hinter sich, schaltete das Licht im innenliegenden Zimmer ein, welches zum Einbettzimmer von Elias gehörte. Sicherheitshalber drehte sie trotzdem die Verriegelung nach unten.
Ihre Jeans wanderte zusammen mit dem schwarzen Tanga zwischen ihre Knöchel. Leise seufzend urinierte sie in die Toilette. Stille Tränen liefen ihr dabei über die Wangen. Als sie fast fertig war, hörte sie, wie die Tür zum Krankenzimmer geöffnet und gleich wieder geschlossen wurde. Sofort darauf ertönte gedämpft Eriks Stimme durch die verschlossene Holztür.
»Wer sind Sie? Was wollen Sie hier?« Er klang aufgebracht. Vorsichtig. Natalja griff stirnrunzelnd zur Klopapierrolle.
»Ich stelle die Fragen, Sie antworten!« sagte eine harte männliche Stimme. Sie hatte einen polnischen oder russischen Akzent. »Ein Schrei und Sie sind ein toter Mann. Verstanden!«
Natalja verharrte mitten in der Bewegung. Das zweilagige Klopapier hing schlaff zwischen ihren Fingern. Was ging dort draußen vor sich? Ein toter Mann? Hatte sie richtig gehört?
»Weiß Ihr Sohn von Ihrer Arbeit? Weiß er von dem Kloster im Wald? ANTOWRTEN SIE!« Die Worte waren eine Spur drohender.
»Elias? Vom Kloster im Wald?« Natalja konnte förmlich spüren, wie Erik energisch den Kopf schüttelte. »Nein! Er ist nur zu Besuch hier. Er ist in meine Geschäfte nicht involviert. Aber was -«
»Seine Freundin? Weiß sie etwas? Wo ist sie?«
Nataljas Herz setzte aus, als der
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