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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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brutal klingende Mann nach ihr fragte. Geräuschlos erhob sie sich von der Toilette und streifte sich die Jeans langsam über die Hüften. Sie musste näher an die Türe heran. Die Stimmen waren nur gerade so verständlich. Manche Worte erahnte sie mehr.
    »Natalja? Nein, sie weiß ebenfalls von nichts. Ich kenne sie ja erst seit wenigen Tagen. Sie, sie ist in der Cafeteria. Wollte einen Kaffee trinken. Sie kann jeden Moment zurückkommen.« Erik Ritter log wie gedruckt. Dort draußen stimmte etwas nicht. Ganz und gar nicht.
    Eriks Worte wurden mit einem Knurren beantwortet. »Wenn Sie lügen, Herr Ritter, dann verpass ich Ihnen zwei Kugeln zwischen die Rippen. Verstanden?« Das letzte war keine Frage, sondern ein Befehl. Bevor Erik antworten konnte, fuhr der Mann fort. »Wen haben Sie alles über das Kloster informiert? Antworten Sie!«
    Natalja knöpfte sich ganz langsam die Hose zu, trat danach neben die Tür. Ein Schlüsselloch gab es nicht. Sie konnte nur dastehen und lauschen. Wer war der Mann? Erik tischte ihm absichtlich eine Lüge auf, was sie und Elias betraf. Natürlich hatte er Elias eingeweiht. Und Erik hatte davon ausgehen können, dass sein Sohn alles an sie weitererzählte. Dort draußen musste etwas Ungeheuerliches geschehen und Elias lag hilflos daneben! Sie tastete nach ihrem Handy, doch es war nicht in ihrer Hosentasche. Natalja unterdrückte einen Fluch. Das Mobiltelefon schlummerte in ihrer Jackentasche. Diese hing unerreichbar im Zimmer an der Garderobe.
    »Sie … Sie sind der Rabe! Ich erkenne Ihre Stimme wieder! Oh Gott! Jetzt verstehe ich! Der Unfall heute Morgen war gar kein Unfall. Sie! Sie wollten mich umbringen und haben stattdessen meinen Sohn -«
    Das Geräusch eines hallenden Klatschens drang durch die Türe, ließ Natalja zusammenzucken. Es folgte ein dumpfes Stöhnen. Es hörte sich nach Erik an.
    »Beantworten Sie meine Fragen!« zischte die Stimme des Raben. »Und was schauen Sie immer zur Toilette? Ist da jemand?«
    Nataljas Herz begann zu flattern. Sie hörte Schritte näher kommen.
    »Nein! Nein! Da ist niemand!« beharrte Erik. Das Zittern seiner Stimme entging nicht einmal ihr auf der anderen Seite des Holzes.
    Die Fußtritte blieben direkt vor dem Klo stehen. Natalja pochte das Blut in den Ohren. Sie rutschte zur Seite und drückte sich neben der Tür an die Wand, so dass sie nicht sofort gesehen werden würde. Bitte, lass ein Wunder geschehen! flehte sie.
    Eine Tür öffnete sich ohne Vorwarnung. Die Tür zum Krankenzimmer. »Hallo!« rief eine helle Frauenstimme. Natalja hielt die Luft an. Die Krankenschwester! »Ich wollte, HUCH -«
    Plopp! Plopp!
    Zwei mechanische Geräusche, gefolgt von einem dumpfen Poltern. Etwas Schweres war zu Boden gesunken.
    Erik begann erstickt zu kreischen, doch der Versuch ging in ein heiseres Keuchen über.
    »Sie, Sie haben sie umgebracht!«
    Natalja zuckte erneut zusammen. Konnten die beiden Geräusche wirklich das gewesen sein, was sie aus dem Fernsehen kannte? Hollywood in Bayern? Zwei Schüsse aus einem Schalldämpfer?
    »Fresse!« brummte der Mann. »Verdammte Scheiße! Heute geht auch alles schief. Kommen Sie! Wir gehen! JETZT!« Die Schritte entfernten sich wieder. »Wenn Sie nicht tun, was ich sage, sind Sie augenblicklich tot und ihr Sohn ebenfalls. Das verspreche ich Ihnen! Los, kommen Sie!«
    Natalja hörte Erik leise wimmern, gleichzeitig erzitterte die Türe neben ihr.
    Plopp! Plopp! Plopp!
    Holzsplitter regneten in die Toilette, etwas zischte knapp an ihr vorbei, schlug direkt über der Toilette ein, wo sie vorhin noch gepinkelt hatte. Fliesensplitter bröselten zu Boden.
    Erneut wimmerte Erik auf, lauter dieses Mal, was mit einem weiteren Klatschen quittiert wurde, was sich nach einem festen Faustschlag anhörte.
    »Los jetzt! Wenn dort jemand drin war, ist er nun tot. Kommen Sie! Wir müssen weg!« knurrte der Schütze. Dann hörte Natalja die Türe zum Zimmer klacken. Ruhe senkte sich über die Toilette. Irgendwo entwich Wasser zischend einer Leitung. Dazu zerriss das beständige, sekundengenaue Piepen der Apparaturen, an denen Elias angeschlossen war, die geisterhafte Stille.
    Ihr Herz hämmerte wild gegen ihre Rippen. Sie meinte, es müsse jeden Augenblick platzen. Hätte sie nicht vorhin ihre Blase entleert, so hätte sie sich spätestens jetzt in die Hose gepisst. Doch nach endlosen Sekunden beruhigte sich ihr Puls etwas. Ihr Atem wurde langsamer. Ihre Gedanken rasten jedoch immer noch wie in einer Achterbahn hin und

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