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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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her. Ihr war schwindelig. Ihre Schläfen pochten.
    Als sie sich wieder einigermaßen im Griff hatte, öffnete Natalja die zerschossene Türe. Der Geschmack nach Messing füllte ihren Mund, der heiße, kupfrige Geruch brannte in ihrer Nase. Dazu mischte sich eine süßliche Kopfnote, etwas Organisches. Der Duft von Blut.
    Sie konnte gerade noch einen schrillen Schrei unterdrücken. Neben dem Eingang lag eine junge Frau in hellgrünen Kleidern. Sie trug das Namensschild einer Krankenschwester auf der Brust, doch die Schrift war nicht zu lesen. Dunkelrotes Blut hatte die Buchstaben verwischt, das aus zwei fast schwarzen Einschusslöchern über ihre hellen Kleider sickerte. Sie hatte die Augen weit aufgerissen. Eine Maske vollkommenen Erschreckens und ungläubiger Überraschung hatte sich in die Gesichtszüge gemeißelt. Kastanienbraunes Haar hing frisch gebürstet um ihre Ohren.
    Schon auf den ersten Blick wusste Natalja, dass die junge Frau tot war. Vorsichtig näherte sie sich der Leiche, ging vor ihr in die Hocke. Sie achtete darauf, nicht in die sich ausbreitende Blutlache zu treten. Sie fühlte trotzdem den Puls der Frau. Es gab keinen. Sie fühlte erneut am Hals. Auch dort pulsierte nichts.
    Ein eisiger Schauer ging durch ihren Körper. Natalja wandte sich würgend von der toten Frau ab, doch sie konnte sich gerade noch beherrschen. Mit wackeligen Beinen wankte sie zu Elias Bett. Er lag unverändert da, die Apparaturen arbeiteten unbeirrt wie vor einer Stunde. Sein Puls war immer noch der gleiche. Knapp über Achtzig.
    Natalja entwich ein lauter Seufzer. »Danke, dass dir nichts passiert ist!« flüsterte sie leise in den Raum. Dann sah sie sich unschlüssig um. Was sollte sie nun tun? Sie musste die Polizei rufen. Sie musste sie über die Entführung von Erik informieren. Und dann? Wie lange würde das Ganze dauern? Bis die Bullen hier waren, ihre Geschichte gehört hatten und in die Hufe kamen, verging mindestens eine Stunde. Solange hatte Erik vielleicht nicht mehr. Er lebte noch, sonst hätte der Killer ihn gleich hier umgelegt. Aber wie lange würde das gelten? Wie skrupellos der Rabe war, hatte sie gesehen. Der Beweis lag hinter ihr auf dem Boden.
    Der Rabe.
    Erik hatte den Mann erkannt. Scheinbar hatte er mit ihm schon telefoniert oder zumindest gesprochen. Konnte Elias mit seinen Vermutungen, die er ihr in der Therme ins Ohr geflüstert hatte, Recht gehabt haben, dass Erik zu unkonventionellen Mitteln griff? War das Feuer bei dem Waldbauern doch kein zufälliger Hausbrand gewesen? Fragen über Fragen und keine Antworten. Ihr war nur klar, dass Erik etwas besitzen musste, was der Mann wollte. Informationen oder irgendwelche Wertgegenstände. Sonst würde Erik ebenfalls hier liegen und zwei Löcher in der Brust haben. Aber wenn stimmte, was sie gehört hatte, musste die ganze Geschichte etwas mit der Abtei im Wald zu tun haben. Was, war Natalja jedoch schleierhaft. Die Erinnerung an den kommenden Wagen vor wenigen Minuten schoss ihr durch den Kopf. Vielleicht war das der Killer gewesen. Vorsichtig trat sie ans Fenster, starrte hinaus in den Nebel. In just diesem Moment sah sie, wie zwei dunkle Schemen über die Straße eilten. Sie rannten nicht, doch es war offensichtlich, dass sie es eilig hatten. Es war unmöglich zu sagen, ob es Erik und der Killer waren, doch wer sollte es sonst sein. Wenig später flammten wieder zwei Lichtkegel auf, ein Wagen glitt vom Parkplatz und verschwand in der Suppe.
    Entschlossen drehte sie sich zu Elias um. Ihr Entschluss stand fest. Flüchtig hauchte sie ihm einen Kuss auf die schweißbedeckte Stirn. »Ich werde deinen Vater retten! Dein Opfer heute Morgen soll nicht umsonst gewesen sein. Ich komme bald wieder! Versprochen! Ich liebe dich!«
    Ja, sie würde Erik Ritter retten. Das war sie Elias schuldig. Er hatte sein Leben in die Waagschale geworfen, nun würde sie ihren Teil dazulegen. Es musste schnell gehen. Sie spürte, dass Erik nicht allzu viel Zeit blieb. Der Rabe, wie ihn Erik genannt hatte, würde nicht lange fackeln. Das spürte sie in ihrer Magengegend. Wenn er hatte, was er von Erik wollte, würde es Bang machen.
    Ein Schuss. Erik tot.
    Sie blickte kurz auf die Wanduhr. 16:32 Uhr.
    Die Polizei würde spätestens in zwei Stunden hier aufschlagen. Nach der Visite des Chefarztes. Die Polizisten würden eins und eins zusammenzählen und nach Erik Ritter fahnden. Bis dahin hatte sie ihn hoffentlich schon gefunden. Irgendwie aus den Klauen des Raben gerettet. So

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