Blut Und Knochen: Thriller
»Duncan?« Es waren seine Haare, verfilzt und klebrig. »Duncan, du darfst mich nicht allein lassen. Bitte, lass mich nicht allein!«
»Es tut mir so leid ... « Wie aus weiter Ferne kam seine Stimme, obwohl er gleich auf der anderen Seite des Gitters lag.
»Lass mich nicht allein.« Nachdem Miller gegangen war, stand Logan in seinem dunklen Wohnzimmer, allein mit dem Geruch nach kaltem Curry und abgestandenem Bier. »ERSTE NACHRICHT: Hallo Logan, ich bin's ... Du fehlst mir, okay? Ehrlich. Du fehlst mir ... « Die anschwellenden Hintergrundgeräusche, während sie noch einen Schluck trank. »Wollt' ich dir einfach nur mal sagen.« Piiiieeeep. Er drückte die Löschtaste und ging ins Bett.
8
Logan konnte sich durchaus interessantere Beschäftigungen vorstellen, als im Verhandlungssaal 1 herumzuhängen und zu warten, bis er aufgerufen wurde. Eine endlose Prozession aus Aberdeens Besitzlosen, vom Pech Verfolgten oder schlichtweg allzu Dummen wurde auf die Anklagebank geschleift, wo sie dann erfuhren, ob sie noch einmal mit einer Geldstrafe davonkamen oder ein paar Wochen lang Kost und Logis von der Regierung Ihrer Majestät spendiert bekamen. Auf merkwürdige Weise erinnerte das Ganze an das Wartezimmer eines Zahnarztes -lauter unglückliche Menschen, die darauf warteten, dass irgendetwas Scheußliches passierte. Nur dass hier keine Uralt-Nummern von irgendwelchen Hausfrauenillustrierten oder zerfledderte Readers' -Digest-Hefte herumlagen. Immerhin war es besser, als staubige Aktenkartons aus dem Archiv heraufzuschleppen. Und es gab Logan die Chance, ein wenig in den alten Fallakten zu lesen. Als Ken Wiseman von der Grampian Police verhaftet worden war, hatte er schon einiges auf dem Kerbholz gehabt - achtzehn Kerben, um genau zu sein: eine Parade von Leichen, die sich quer durch ganz Großbritannien zog. Achtzehn Menschen, und alles, was von ihnen übrig geblieben war, waren ein paar Stücke Fleisch. Logan blätterte sich durch die Namen und Daten. So viele Tote ...
Laut den Aufzeichnungen hatten alle gewusst, dass Wiseman der Schuldige war, nur hatten sie es nicht beweisen können, und am Ende hatten sie sich mit dem Fall begnügen müssen, den sie ihm nachweisen konnten: Mr. und Mrs. McLaughlin, Aberdeen 1987. Und selbst dann
»Sergeant McRae!«
Logan blickte von seinem Papierstapel auf und merkte, dass der ganze Gerichtssaal ihn anstarrte. Er sprang hastig auf und wurde knallrot. »Äh ... ja, Verzeihung, Milord ... « Und von da an ging alles nur noch bergab. Das Licht war blendend hell, es fiel durch eine offene Tür auf der anderen Seite der Gitterstäbe herein. Heather kniff die Augen fest zu und hielt sich zusätzlich schützend die Hand vors Gesicht. Nach den vielen Stunden in völliger Dunkelheit war es einfach zu qualvoll. Ihr Schädel pochte, ihr Hals schmerzte, sie fühlte sich schwindlig und schwach. Ihre Handgelenke brannten - sie hatte sie sich wund gescheuert, als sie sie an der rauen Kante eines der Gitterstäbe so lange auf und ab bewegt hatte, bis der Kabelbinder gerissen war. Allmählich gewöhnten ihre Augen sich an das Licht, und immer mehr Konturen traten hervor. Sie befanden sich in einem kleinen Raum aus Metall, nicht größer als ihr winziges Schlafzimmer zu Hause. Der Boden war rot von Rost und getrocknetem Blut ... 0 Gott ... Duncan war tot. Sie streckte eine zitternde Hand durch die Stäbe und strich ihm über die Stirn. Sie war heiß, nicht kalt. Er lebte noch! Durch das Gitter krächzte sie ihm ins Ohr: »Duncan! Duncan, wach auf!«
Nichts.
»Duncan! Jemand hat uns gefunden, Duncan! Es wird alles gut!« Ein Schatten schob sich vor das Licht, und dann ließ ein lautes metallisches Scheppern die Wände erzittern.
Heather versuchte zu schreien, aber ihre Kehle war so ausgetrocknet, dass sie kaum mehr als ein Flüstern hervorbrachte: »Mein Mann braucht ärztliche ... « Da stand eine Gestalt in der offenen Tür: Metzgerschürze, weiße Gummistiefel, schmutzige Gummimaske, die Augenlöcher zwei schwarze Höhlen, hinter denen nichts Menschenähnliches zu erkennen war.
»Bitte«, versuchte Heather es noch einmal, »bitte, wir werden niemandem etwas sagen! Bitte, Duncan braucht Hilfe!«
Der Mann mit der Metzgerschürze stand da, den Kopf zur Seite geneigt, und sah zu, wie sie weinte, ungefähr so, wie eine Katze einen verletzten Vogel ansieht.
»Bitte! Ich tue alles, was Sie wollen! BITTE!« Sie rappelte sich auf die Knie hoch und nestelte an den Knöpfen ihrer blutgetränkten Bluse
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