Blut und Kupfer
jede Rache.«
»Aber ich muss wissen, wer die Schuld am Verderben meiner Familie trägt.« Die Entschiedenheit seiner Worte machte jede Illusion einer gemeinsamen Zukunft zunichte.
Marie löste ihre Hände aus seinen, widerwillig, denn sie spürte, dass er sie brauchte, genau wie sie ihn. »Wie lange bleibt Ihr? Ihr müsst hungrig sein«, sagte sie und zog die Tür auf.
Eine schattenhafte Bewegung am Ende des Korridors alarmierte sie. »Wer ist da?«, rief sie und hörte das Tappen sich eilig entfernender Schritte. »Aras!«
Sofort kam der Hund aus dem Laboratorium herunter und rannte an ihr vorbei in den sonnendurchfluteten Gang. Er schien zu wissen, worum es ging, denn schnuppernd lief er um die Ecke und hinunter in den Wohntrakt. Marie und Ruben folgten ihm und kamen dazu, als Aras mit verhaltenem Knurren Ursel an der Wand neben Maries Zimmer stellte.
»Ruft den Köter weg!«, fauchte Ursel, die in verkrampfter Haltung regungslos verharrte, denn sobald sie einen Finger rührte, schnappte Aras nach ihr.
»Was schleichst du herum? Belauschst du etwa die Herrschaft?« Rubens Ton war drohend.
»Ich habe nichts Verbotenes getan. Wollt Ihr mich auch fortjagen wie Berthe? Das wird die Herrin niemals zulassen!«, erwiderte die Kammerfrau frech und sich ihrer bevorzugten Stellung allzu bewusst.
Marie nahm Aras am Halsband. »Scher dich an deine Arbeit, Ursel, und lass dich nicht beim Schnüffeln erwischen. Mein Bruder sieht das nicht gern, und noch ist er der Herr im Haus.«
»Ihr hättet diese Els nicht ins Haus nehmen sollen.« Die widerborstige Kammerfrau strich ihre Schürze glatt und kräuselte die schmalen Lippen. »Ich hätte Euch eine passende Dienerin empfohlen. Eine, die sich im Haus auskennt und vertrauenswürdig ist.«
»Ich habe dich nicht um deine Meinung gebeten, und ich diskutiere meine Entscheidungen nicht mit dem Gesinde. Du kannst gehen«, sagte Marie kühl.
Mit wutverzerrter Miene eilte die anmaßende Dienerin davon.
»Sie wird Euch schaden«, sagte Ruben.
»Oh, sie ist nicht das Problem. Meine bigotte Schwägerin ist weitaus schlimmer. Aber sie macht eine Wallfahrt«, fügte sie betont munter hinzu. »Soll ich ein Quartier für Euch richten lassen, oder verlasst Ihr uns noch heute wieder?«
»Wenn es keine Umstände bereitet, breche ich morgen früh nach Riem auf.« Er sah sie mit undurchdringlicher Miene an.
»Gut. Gehen wir in die Küche, wo Martha für Euer leibliches Wohl sorgt. Danach wird mein Oheim so weit sein, dass wir mit ihm sprechen können.« Marie schaute über das Treppengeländer und beobachtete, wie Josef mit dem Arm voller Weinflaschen in der Bibliothek verschwand. Zumindest von Albrecht hatten sie in der nächsten Zeit nichts zu befürchten.
XIX
• •
Anschlag mit tödlichen Folgen
Der Antachates, der im Verbrennen nach Myrrhen riecht, ist entweder Bernstein oder ein bituminöser Stein von anderer Farbe.
Georgius Agricola,
»De Natura Fossilium«, 1546
M it einem neuen Salbentiegel verließ Marie den Pferdestall. Veit hatte ihr das Heilmittel kommentarlos und unter energischer Ablehnung neuerlicher Bezahlung gegeben. Neben Albrechts schönem Reitpferd, einer Züchtung aus dem Hannoverschen, nahm sich Rubens Tier nicht weniger edel aus. Der dunkelbraune Vollblüter hatte einen kompakten Körperbau, muskulöse Beine und seidig glänzendes Schweif- und Mähnenhaar. Hatte ihm das Engagement bei den Komödianten genügend Geld für ein solches Tier einbringen können? Sicher nicht, überlegte Marie und pfiff Aras zurück, der schon wieder Jagd auf Ratten machte.
Auf dem Hof ging das Gesinde seiner Arbeit nach, doch es entging Marie nicht, dass an allen Ecken und Enden Mangel herrschte. Das Mauerwerk der Stallungen war genauso reparaturbedürftig wie die Dächer, und auch die Holzschuppen mussten dringend ausgebessert werden. Die Knechte und Mägde nickten ihr freundlich zu, in ihren Gesichtern war jedoch keine Zuversicht, sondern nur noch Mühsal zu lesen. Pfingsten stand bald an, ein Fest, auf das sich die Leute freuten, weil es einen zusätzlichen freien Tag bedeutete. Auf Langenau hatte Werno an jedem kirchlichen Feiertag ein Schwein schlachten lassen und Wein und Bier in großzügigen Mengen gespendet. Es war nicht gut, wenn die eigenen Leute unzufrieden waren, aber womöglich hing die schlechte Stimmung auch mit Einhards Verurteilung zusammen. Und daran trug sie zumindest eine Mitschuld. Sie steckte den Salbentiegel in ihren Beutel. Einhard und Berthe
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