Blut und Kupfer
zugerichtet!«
Leander, dessen feines nachtblaues Wams dunkle Flecken aufwies, schüttelte den Kopf. »So wild, wie der Herr Georg auf ihn eingeschlagen hat, ist es ein Wunder, dass er überhaupt noch lebt! Der Herr von Tulechow hat selbst einige Schläge abbekommen, und bei jedem Streich, den Herr Georg austeilte, dachte ich, jetzt hat er sein Ende besiegelt. Doch Tulechow hat pariert und ist immer wieder zurückgewichen, und nach dem ersten Hieb auf die Wange meines Herrn hat er gefragt, ob es damit getan sei!«
Damit stand sie tief in Tulechows Schuld. Zitternd suchte sie Halt an der Bettkante.
»Herr Georg hat ihm einen ordentlichen Hieb auf den Arm versetzen können und ein paar Kratzer. Die hat er hier versorgen und sich dann in sein Stadthaus bringen lassen«, sagte Leander.
Doktor Zacharias winkte einem Ordensbruder. »Wenn er sich bewegt und der Verband gänzlich durchblutet, dann ruf mich. Ich bin in meinem Zimmer.« Müde rieb sich Zacharias die Augen und versäumte im Hinausgehen doch nicht, einen letzten Blick auf jeden seiner Patienten zu werfen.
»Armer Georg, was soll nun werden?« Ratlos betrachtete Marie den Schwerverletzten.
»Ich bleibe bei ihm, Hochwohlgeboren. Vielleicht gehen wir eine Weile fort aus München. Eine Stellung als Sekretär findet sich auch anderswo, und ein gewitzter Diener hat immer sein Auskommen.«
Die strengen Ausdünstungen, die Marie in ihrer Aufregung nicht wahrgenommen hatte, überfielen sie nun mit umso größerer Heftigkeit und brachten ihren Magen in Aufruhr. Ein Taschentuch vor den Mund pressend rannte sie zur Tür und direkt in die Arme von Schwester Iris. Der Aufprall gab den Ausschlag, und Marie erbrach sich über die Kutte der Schwester, die sich jedoch rasch fasste, denn ihre Erfahrung in der Krankenpflege hatte ihr eine stabile Konstitution beschert. »Eine wahrlich überwältigende Begrüßung«, scherzte die Schwester und folgte Marie auf den Gang.
Als Marie nur noch Galle spuckte und sich das Gesicht mit klarem Wasser, vom schielenden Jan fürsorglich gebracht, gereinigt hatte, hockte sie sich auf einen steinernen Mauervorsprung. »Schwester Iris, es tut mir unendlich leid …«
Die Angesprochene kämpfte mit Wasser und Lappen gegen den impertinenten Gestank und die Flecken des Erbrochenen auf ihrem weißen Skapulier. »Sagt mir lieber, wie es um Euren Bruder steht.«
Während Marie erzählte, kam Jan mit einem Becher Kräutertee zu ihr. »Den bekommen alle, die krank im Magen sind.«
Der junge Mann lächelte, entblößte dabei sein unvollständiges Gebiss, doch seine unansehnliche Erscheinung und das schlichte Gemüt wurden durch seine geduldige Hilfsbereitschaft aufgewogen. Marie schnupperte und nippte an dem starken Tee, dessen Hauptbestandteil Minze war. »Danke, Jan.«
»Ihr habt Jans Namen nicht vergessen!« Er rannte ungelenk davon, und Iris schmunzelte.
»Ein weiteres gebrochenes Herz habt Ihr nun in München zu verantworten.«
»Das ist nicht meine Art, wirklich nicht, Schwester.«
Unten läutete die Türglocke. Im Spital ging es zu wie in einem Taubenschlag, dachte Marie.
»Glaubt nicht, dass wir Nonnen in unserer Abgeschiedenheit nichts von der Welt erfahren! Von Eurer bevorstehenden Heirat mit Herrn von Tulechow wissen wir ebenso wie um Euer Zerwürfnis mit Doktor Kranz.«
»Ach du lieber Himmel …«
Die beiden Frauen sahen sich an und lachten, doch schwang bei Marie ein Gefühl drohenden Unheils mit.
XXV
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Pater Ignatius und die Villa Riem
Der Rhoditis ist nach der Farbe der Rose.
Caius Plinius Secundus, »Naturgeschichte«,
XXXVII. Buch, »Von den Edelsteinen«
M it diesem verschmutzten Skapulier kann ich mich nicht bei der Mutter Oberin sehen lassen. In der Wäscherei des Spitals wird man mir helfen können.« Iris verbarg ihre Hände in den weiten Ärmeln ihrer Tracht. »Ich finde Euch dann hier bei Eurem Bruder, Frau von Langenau?«
Marie nickte und horchte gebannt in das Treppenhaus, wo sie Rubens Stimme gehört hatte. Er war hier! Erwartungsvoll stand sie am Fenster des Ganges, zog und zupfte an den bestickten Ärmeln und biss sich auf die Lippen, damit sie wenigstens etwas Farbe bekamen.
»Doktor Zacharias hat den jungen Herrn behandelt. Hier entlang.« Das war Jan. »Da ist schon Besuch.«
Die beiden Männer kamen um die Ecke, und Marie versuchte sich an einem höflichen Lächeln, doch ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen, und sie musste sich an der Wand abstützen. Sofort war Ruben an ihrer Seite
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