Blut und Kupfer
sich mit zitternden Händen auf den Tisch stützte.
»Nein«, flüsterte sie und versuchte, ein Schluchzen zu unterdrücken.
Als sie seine Hand auf dem Rücken fühlte, drehte sie sich um, barg ihr Gesicht an seiner Brust und weinte stumme Tränen.
»Marie, es war nicht meine Absicht, dich zu verletzen. Ich … es ist nur so schwer … Ich kann dir nicht geben, was du verdienst, noch nicht, und wenn ich Sallovinus’ Mörder nicht finde, niemals!«
»Und wenn du ihn findest und die Tafeln enträtselst?« Sie hob den Kopf, und ihre Blicke trafen sich.
»Dann lege ich dir die Welt zu Füßen.« Er zog sie an sich und fuhr mit seinen Lippen den Bogen ihrer Braue entlang, berührte ihre Wange und fand ihren Mund, der sich unter seinem zärtlichen Druck öffnete. Vergessen und einfach nur lieben, dachte Marie und bog den Hals zurück, doch ein scharfer Schmerz erinnerte sie an die erbarmungslose Wirklichkeit.
Besorgt schob Ruben die Haare zur Seite. »Einer der Bastarde hat dich geschlagen. Ich hätte sie beide abstechen sollen!«
Seufzend schüttelte Marie den Kopf. »Du bist rechtzeitig gekommen. Wie hast du mich gefunden?«
»Wir hatten eine Verabredung, und bei dem Unwetter habe ich nach dir Ausschau gehalten und gesehen, wie du hinter dieser Frau hergelaufen bist. Erklär mir jetzt, welcher Teufel dich geritten hat, allein in der Stadt unterwegs zu sein.« Er ließ sie los und machte sich an den Scheiten im Ofen zu schaffen.
»Das war Berthe, die Nonne, die meinen Oheim vergiften wollte, oder zumindest hat es den Anschein gehabt. Sie ist mit Jais in das Schusterhaus gegangen!«
»Jais? Das ist in der Tat seltsam. Was hätte eine Nonne mit dem Kammerdiener Tulechows zu schaffen?«
»Nicht wahr? Was für ein Schuster ist das?«, fragte Marie lebhaft und griff nach dem Brotkanten, der neben dem Wein in einer Schüssel lag.
Mit einem Span, den er an der Lampe entzündet hatte, fachte Ruben das Feuer im Ofen an. »Du solltest zumindest den Überrock trocknen und die Jacke. Vertrau mir.« Sein Blick verhieß das Gegenteil.
Marie dachte an Gräfin von Larding und ihren zukünftigen Gatten und begann langsam, ihre Jacke aufzuknöpfen. »Tulechow hat das Leben meines Bruders verschont, weil ich ihn darum gebeten habe.«
»Weiß Georg davon?«
»Natürlich nicht! Er würde es nicht wollen.«
»Warum opferst du dich dann für ihn?«
»Er ist mein Bruder.«
»Glaubst du, er hätte etwas Vergleichbares für dich getan?« Ruben beobachtete, wie sie die winzigen Knöpfe der nassen Jacke öffnete.
Sie sah ihm in die Augen. »Das spielt keine Rolle. Ich liebe ihn und hätte mir immer vorgeworfen, nicht alles für ihn getan zu haben.«
Schweigend ruhte sein Blick auf ihr, und Marie hatte das Gefühl, dass er etwas sagen wollte, sich jedoch anders entschied und stattdessen nach dem Weinkrug griff. »Fährt Tulechow zur Krönung nach Prag?«
Sie nickte und schlug mit der Hand gegen die Tischkante. »Wie konnte ich das vergessen! Gisla ist heute im Klostergarten erdrosselt worden!«
Erschüttert starrte Ruben sie an und lauschte ihrem Bericht.
»Ist das nicht merkwürdig? Mein Oheim lebt noch und ist im Besitz der letzten Tafel! Ich bin davon überzeugt, dass man Remigius aus Berechnung verschont.«
Nachdenklich fuhr sich Ruben übers Kinn. »Vielleicht. Möglicherweise ist er der Einzige, der das Rätsel lösen kann, und derjenige, in dessen Auftrag die Tafeln gestohlen wurden, weiß das und wartet einfach ab.«
»Und dann?« Sie fürchtete sich, das Unvermeidliche auszusprechen, denn manchmal beschworen Worte das Unheil erst herauf. Nervös nestelte sie am letzten Knopf der Schoßjacke.
»Lass mich das tun.« Zärtlich berührten seine Finger die nicht vom Musselin bedeckte Haut ihres Dekolletés, bevor er den Knopf aus der feuchten Öse löste und ihr die Jacke von den Schultern streifte. Er stellte sich hinter sie, umfasste ihre schmale Taille und küsste ihre Schläfe. »Ich werde den Mörder finden, Marie. So seltsam es klingen mag, ich glaube wirklich, dass du sicher bist, solange dein Oheim an dem Rätsel arbeitet.«
»Aber Jais und Berthe? Denkst du nicht, dass Tulechow dahintersteckt?« Sie umfasste seine Hände.
»Ich habe ihn beobachtet und mich umgehört, aber er scheint zu sein, was wir von ihm wissen – ein Lebemann, der eine Karriere unter Herzog Maximilian anstrebt. Er hat dir bewiesen, dass er zu seinem Wort steht.«
»Er benutzt mich als Alibi, um seine Affäre mit der Larding zu decken.
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