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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
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mit den Gerüchen der Stadt vermengte. Ihre Glieder schmerzten, besonders die Prellung am Hals bereitete ihr Unbehagen, doch Marie biss die Zähne zusammen und rief nach einer Dienerin, die ihr beim Ankleiden half. Frisiert und in einem eleganten bordeauxfarbenen Seidenkleid fand sie die Oberin nach den Laudes in ihrem Arbeitszimmer.
    »Ihr seid früh auf, Frau von Langenau.« Die Oberin sah von ihrem Kontobuch auf.
    »Ich werde bei den Damen der Herzogin erwartet«, log Marie.
    »Werdet Ihr den ganzen Tag über in der Residenz bleiben?«
    »Zur Komplet bin ich zurück«, sagte Marie kurz.
    Mit einem Nicken entließ die Klostervorsteherin ihren unfreiwilligen Gast. Marie lenkte ihre Schritte durch die vertrauten Gänge, verweilte im Garten vor dem Pegasustempel, schüttelte den Kopf über ihren Bruder, der für sein törichtes Verhalten bitter zu leiden hatte, und sah den Gärtnern beim Beschneiden der Buchshecken zu. Sie war nicht die Einzige, die den Garten in seiner morgendlichen Ungestörtheit genießen wollte, denn aus dem Pegasustempel traten drei Herren, die sich vorsichtig umschauten. Von ihrer Position aus konnte Marie nur Tulechow erkennen, die beiden anderen wandten ihr den Rücken zu und wurden von den Säulen halb verdeckt. Lautlos versteckte sie sich hinter einer lebensgroßen weiblichen Skulptur, die einen Kelch in Händen hielt.
    »Wie könnt Ihr Euch so sicher sein?«, fragte Tulechow leise.
    Einer der beiden Männer, dessen Stimme heiser klang, sagte: »Lobkowicz ist mir gewogen und weiß, wo seine Chancen liegen, jedenfalls nicht bei den Ketzern!«
    »Aber sie werden nicht einfach hinnehmen, dass man ihnen einen Ketzerjäger als König aufoktroyiert!«, sagte Tulechow.
    »Die Rechte, die der selige Rudolf ihnen zugestanden hat, weil er es nicht besser wusste und er seine Ruhe haben wollte …« Der dritte Mann lachte abfällig. »Diese Rechte werden die protestantischen Böhmen verteidigen. Sie werden sie mit aller Macht einfordern.«
    »Darauf, mein guter Severin, bauen wir. Ihr werdet sehen, dann schlägt unsere Stunde! Außerdem habe ich einen Trumpf, von dem niemand etwas ahnt. Einen teuflischen Trumpf …«, sagte der Heisere in verschwörerischem Ton und lachte auf eine Art, dass sich die Haare auf Maries Unterarmen aufstellten.
    Was das konspirative Trio sich weiter zuraunte, wurde vom Klappern einer Holzkarre, die ein Gärtner über den Kies schob, verschluckt. Als Marie sich hinter der tugendhaften Skulptur hervorwagte, waren die Herren verschwunden. Heilige Jungfrau, was braute sich dort zusammen? Tulechow steckte bis zum Hals in einer üblen politischen Intrige, so viel verstand sie, doch wusste sie zu wenig, um sich einen Reim auf das belauschte Gespräch machen zu können. Ruben könnte es. Noch heute musste sie einen Weg finden, mit ihm zu sprechen. Aber zuerst galt es, eine schier unmögliche Aufgabe zu lösen. Wenn nur der alte Fistulator nicht in der Werkstatt war. Der knorrige Kerl mit der bärbeißigen Miene machte ihr Angst. An der Galerie vorbei, den kleinen Küchenkräutergarten zu ihrer Rechten, überquerte sie den Brunnenhof, in dem sich Kammerdienerinnen die Beine vertraten. Ausgewählte Hofdamen begleiteten die Herzogin zur Frühmesse, was der Dienerschaft einige Augenblicke der Muße verschaffte, die jedoch durch die herannahende erste Kammerfrau ein jähes Ende fand.
    »Faules Pack, an die Arbeit!«, trieb sie die murrenden Dienerinnen Richtung Küche, aus der verschiedenste Dünste herüberwehten.
    Die nimmermüden fleißigen Küchengeister, dachte Marie und spürte plötzlich ihren leeren Magen. Durch die Anstrengungen der vergangenen Tage und Wochen hatte sie an Gewicht verloren und nahm sich vor, später Grütze und Sahne zu essen, denn sie brauchte ihre Kräfte. In den dreiecksförmig angelegten Gebäuden zwischen Küche und dem großen Hof vor den Resten der Neuveste mit ihrem Rundstubenbau und dem Christophsturm lagen weitere Wirtschaftsgebäude, in denen sich auch die Werkstätten der Handwerker und Künstler befanden. Vater und Sohn Fistulator verfügten aufgrund ihrer bevorzugten Stellung über weitere Arbeitsräume nahe der im Bau befindlichen Kaiserzimmer, doch hier wurden die grundlegenden Stuckarbeiten ausgeführt. Und Marie hoffte, den jungen Wilhelm anzutreffen, der meist als Erster in der Werkstatt erschien. Blasius Fistulator genoss als Meister das Privileg des Delegierens.
    In ihrem eleganten Kleid fiel Marie den Handwerkern auf, die lange Tische im

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