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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
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Wandteppich. »Ein prachtvolles Stück, nicht wahr?«
    »Ich habe wirklich keine Lust, mich mit Euch über …«
    Larding wandte ihr das Gesicht zu. Nur für einen kurzen Moment ließ er die Maske des höflichen Aristokraten fallen. Seine grauen Augen wurden zum Spiegel einer erbarmungslosen Seele. Der Moment verging, die Schultern sackten leicht nach unten, und er fuhr mit der angenehmen Stimme eines geübten Redners fort: »Ich habe diesen Gobelin nach dem Fresko in einer mazedonischen Kirche wirken lassen.«
    Widerwillig betrachtete Marie den blaugrundigen Wandbehang, auf dem sich auf der linken Seite phantastische Kreaturen tummelten, während in der rechten Bildhälfte Christus auf einem geflügelten Thron saß, umgeben von ringförmig angeordneten Heiligen.
    »Was sich da am Rande drängt, sind die Tierkreiszeichen, Zodiakos kyklos , wie die Griechen die Sternbilder, die unser Leben lenken, so trefflich nannten. Das Wissen um die Sterne ist älter als das Christentum, auch wenn die heilige römische Kirche das nicht gern hört. Es gab Zeiten, da verdammte man dieses Wissen nicht, sondern stellte es gleichwertig neben unseren allwissenden Gott. Wusstet Ihr, dass mit der Zerstörung der Bibliothek von Ninive durch die Meder im sechsten Jahrhundert vor Christi Geburt ein unermesslicher Wissensschatz verloren ging? Die Chaldäer hatten damals bereits genaue Beobachtungen der Sterne durchgeführt und die Bewegungen der Gestirne und deren Stärke untersucht und gedeutet. Plinius bezieht sich in seiner ›Naturgeschichte‹ darauf. Ebenso taten es Astrologen, Sterndeuter, den Mächtigen nahe, zu allen Zeiten, auch wenn die Kirche es nicht wollte.«
    Er redete nicht mit ihr, der Graf führte einen Monolog, und Marie schwieg ängstlich in Erwartung ihres eigenen Schicksals, von dem sie nur hoffen konnte, dass die Sterne eine gute Wendung für sie bereithielten.
    Larding referierte über den Kirchenvater Augustinus, der die Anhänger der Astrologie als fornicatio animae verdammte und einen endgültigen Keil zwischen Astrologie und Kirchenlehre trieb. »Aber das eine kann ohne das andere nicht sein, die Sonne nicht ohne den Mond, das Männliche nicht ohne das Weibliche …« Plötzlich packte Larding sie am Arm und zerrte sie mit sich zur Tür. »Öffnen!«
    Ein Schlüssel wurde gedreht, und die massive Tür schwang knarrend auf. Berthe stand in einem engen Korridor und verneigte sich ehrfürchtig vor Larding.
    »Du hinterhältige Schlange!« Das Bild der verschlagenen Nonne auf Kraiberg im Turm ihres Onkels stand Marie nur zu gut vor Augen. »Eine Giftmischerin und eine tote Gräfin. Wenn das kein Zufall ist. Was für einem Orden gehörst du überhaupt an?«
    Berthe reagierte unerwartet flink, blanker Stahl blitzte auf, und Marie erwartete einen tödlichen Dolchstoß, doch stattdessen brannte ihre Wange, und etwas Warmes lief an ihrem Hals herunter. Marie berührte ihren Hals und sah das Blut an ihrer Hand. »Oh nein …«
    »Habe ich dir erlaubt, meinen Gast zu verletzen?« Die kalte, überlegte Stimme des Grafen ließ die Nonne zusammenzucken.
    Demütig senkte sie den Kopf, während sie den Dolch in ihrem Gewand versteckte. »Nein, Herr.«
    »Jais!«
    Irgendwo ging eine Tür, eine Holztreppe knarrte, und dann kam Jais aus dem Dunkel am Ende des Korridors herbeigeeilt. »Herr?«
    Marie presste sich die Hand gegen die stark blutende Wunde und fühlte ihre Kräfte schwinden.
    »Versorge die Wunde der Frau von Langenau, dann bring sie in mein Studierzimmer. Berthe erhält für ihren Ungehorsam fünf Peitschenhiebe«, ordnete der Graf an.
    Jais grinste. »Ja, Herr.« Ohne zu protestieren, ging die Nonne davon, um auf ihre Bestrafung zu warten, und Jais nahm Marie am Arm.
    Dass er der Diener zweier Herren war, stand nun fest. Marie wurde schlecht, doch sie holte tief Luft und konzentrierte sich auf den Schmerz in der Wange. Jais half ihr, sich auf einen Stuhl zu setzen. Der Raum war schmal und die mit Flaschen, Krügen und allerlei alchemistischen Gerätschaften gefüllten Regale die einzige Möblierung.
    »Legt den Kopf zur Seite und haltet still, damit ich die Wunde säubern kann.«
    Sie betete, dass der Schnitt nicht tief war und eine weniger dominante Narbe hinterlassen würde als bei Georg, denn was die Männlichkeit unterstrich, wirkte bei einer Frau abwertend. Schlimmstenfalls hielte man sie nun für eine Hure. Mit zusammengebissenen Lippen schloss sie die Augen und überließ die Wundversorgung einem gedungenen

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