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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
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Mörder.
    Doch der Mann, dem das Töten so leichtfiel, war auch in der Beseitigung von Waffenschäden geschickt. Nachdem er die Wunde mit einer brennenden Tinktur ausgerieben und die Wundränder abgetastet hatte, wickelte er ihr einen Verband um den Kopf. »Zwei Tage, vielleicht drei, dann könnt Ihr den Verband abnehmen. Die Klinge drang nicht tief ein. Aber seid in Zukunft vorsichtiger mit unserer Berthe.«
    Er legte die Stoffstreifen in eine Schüssel, wischte sich die Hände ab und gab ihr einen feuchten Lappen, mit dem Marie das blutverschmierte Dekolleté reinigte. »Das Kleid ist ruiniert«, murmelte sie, mehr, um sich zur Ruhe zu bringen, denn ihre Hände zitterten vor Nervosität. »Was geschieht jetzt mit mir?«
    »Der Herr Graf erwartet Euch.« Mit stoischer Miene wartete Jais darauf, dass sie sich erhob und ihm folgte.
    Ihr Mund klebte, und sie schmeckte Blut. »Wasser, bitte«, bat sie.
    Er schob ihr einen Becher hin, und Marie spülte sich den Mund aus. »Warum musste die arme Gisla sterben? Sie war alt und gebrechlich.«
    »Sie war nicht immer so. Seid Ihr fertig? Dann kommt jetzt!«
    »Wo ist Tulechow? Wo bin ich hier?« Doch ihre Fragen verhallten unbeantwortet in den dunklen Tiefen des Korridors.
    Jais klopfte kurz an eine der gegenüberliegenden Türen, öffnete und schob Marie hinein. »Was zögert Ihr, Ihr wollt doch Antworten. Hier findet Ihr sie!«
    In der Mitte des etwa zwölf mal zwölf Schritt messenden Raumes stand auf einer marmornen Säule ein astronomisches Gerät. Durch die beiden mittleren Fenster fiel das Sonnenlicht direkt auf die Säule und das goldglänzende Instrument, von dem sie meinte, es könne eine Sonnenuhr sein. Was ihren Blick jedoch bannte und sie furchtsam an der Tür verharren ließ, waren die im Halbkreis um die Säule aufgebauten Tafeln. Auf drei eigens dafür angefertigten Holzgestellen standen die gestohlenen Tafeln da Pescias, an denen das Blut unschuldiger Opfer klebte. Man hatte die Kunstwerke in einem Dreißiggradwinkel aufgestellt, so dass der Betrachter direkt mit der geheimnisvollen Motivik konfrontiert wurde. Ein viertes Holzgestell war leer. Es wartete auf die Tafel ihres Oheims.
    »Sind sie nicht herrlich?« Graf von Larding trat hinter einem orientalisch anmutenden Paravent hervor. »Triumphale Schönheit, formvollendete Ästhetik, die Kunstfertigkeit eines Meisters und das Wissen vergangener Jahrhunderte – gebündelt in einem Quartett, von dem jeder Uneingeweihte glaubt, es handele sich um Tischplatten.« Der Graf klatschte in die Hände und winkte sie herbei. »Kommt schon, kommt!«
    Sich ihres desolaten Äußeren bewusst, trat Marie an die Seite des Mannes, von dem niemand zu wissen schien, dass hinter der Fassade des aristokratischen herzoglichen Beraters ein gefährlicher Wahnsinniger steckte. Aber war es tatsächlich Wahnsinn, der den Grafen umtrieb, oder wusste der intelligente Mann genau, was er tat, um seine Ziele zu erreichen? Wollte er den Herzog stürzen? Das konnte nicht gelingen! Gegen die Wittelsbacher war ein einfacher Graf, selbst wenn er eine beträchtliche Anhängerschaft hätte, machtlos. Er hatte alle getäuscht, dessen war sich Marie sicher, als sie den unheimlichen Grafen von der Seite betrachtete. An seiner Erscheinung war nichts Auffälliges oder Anstößiges, er wirkte wie ein in Würde ergrauter, gebildeter Hofbeamter, ein Mann, auf dessen Meinung der Herzog Wert legte, und ein gern gesehener Gast in illustren Kreisen. Seine Züge waren wohlproportioniert, nicht besonders attraktiv, aber auch nicht unansehnlich, nur einmal war ihr der unbändige Hass in seinen Augen aufgefallen, an jenem Morgen im Hofgarten der Residenz.
    »Das leere Gerüst – warum habt Ihr meinen Oheim am Leben gelassen? Es wäre ein Leichtes gewesen, auch diesen kranken alten Mann auszulöschen. Ihr scheint keine Skrupel zu haben. Nicht einmal bei Eurer Gattin.« Marie hatte Mühe beim Formen der Worte, weil der Verband sie behinderte.
    »Ich habe Sibylle geliebt und ihr alle Freiheiten gelassen. Sie hat es zu weit getrieben. Und wenn jemand meine Geduld über die Maßen reizt, wird er bestraft. Sie wusste das.«
    Ein einseitiges eheliches Übereinkommen, dachte Marie und schauderte. »Was ist mit Tulechow, meinem zukünftigen Gatten? Weiß er von alldem hier?«
    »Aber nein! Und er wird auch nie davon erfahren. Ich brauche ihn so, wie er ist, impulsiv, draufgängerisch, ein Ehrenmann.« Graf Gottfried von Larding lachte trocken, als hätte er einen

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