Blut und Kupfer
Tür fiel ins Schloss, und ein Schlüssel wurde umgedreht.
Mehrere Tage allein mit Berthe als Wächterin! Marie hustete, schlug die Augen auf und stemmte sich auf die Unterarme. Der Durst war unerträglich, doch sie würde nicht erneut den Wein neben ihrem Bett trinken, den Berthe so eifrig nachgeschenkt hatte. Sie schaute sich um und entdeckte eine Schüssel, Tücher und einen Krug, in dem sie Wasser vermutete. Mit fahrigen Händen schlug sie die Decke zurück und streckte die Beine aus dem Bett. Als ihre Füße den Boden berührten, griff sie nach einem Deckenbalken in der Schräge über ihr und zog sich hoch. Sobald sie den Balken jedoch losließ, verlor sie das Gleichgewicht und fiel wie ein Sack Kartoffeln zu Boden. »Ahh!« Wütend wollte sie auf den Boden schlagen, besann sich eines Besseren und kroch auf allen vieren zu dem Tisch mit dem Waschgeschirr. Darunter entdeckte sie auch den Eimer für die Kammerlauge.
Einen Spiegel gab es nicht. Nach dem üblen Geruch zu urteilen, der ihren Haaren und dem Unterkleid, in dem man sie ins Bett gelegt hatte, entströmte, lag sie seit Tagen hier oben. Der Verband war fort! Vorsichtig fühlte sie nach ihrer Wange und ertastete eine verkrustete Narbe, die nicht länger zu nässen schien. Vor Anstrengung ächzend zog sie sich an der Tischkante hoch und stützte sich auf die Holzplatte. In dem Krug war tatsächlich Wasser. Es roch nicht schlecht, und sie steckte ihre Hand in den Krug und spritzte sich etwas ins Gesicht. Die herunterlaufenden Tropfen leckte sie auf und wagte es, den Krug anzuheben und an die trockenen Lippen zu setzen. Er durfte nicht herunterfallen, denn wenn Berthe herausfand, dass sie hiervon trank, würde sie das Waschgeschirr fortbringen lassen.
Ihre Hände zitterten stark, doch zweimal konnte sie den Krug an die Lippen bringen und gierige, lange Züge nehmen. Dann sah sie aus dem offenen Fenster und glaubte, den Schönen Turm ausmachen zu können. Unten auf der Straße pries ein Bauchladenverkäufer seine Waren an. Kinder schrien, jemand brüllte nach einem Dieb, Wachleute marschierten auf, und der Geruch von Gemüseeintopf stieg ihr in die Nase und weckte ihren Magen aus seiner Lethargie. Sie widerstand dem Drang, sich entleeren zu müssen, um Berthe weiter über ihren Zustand täuschen zu können, und schleppte sich ins Bett zurück. Kaum hatte sie sich hingelegt, wurde sie vom Schlaf übermannt, doch dieses Mal war es ein wohltuender Schlaf, aus dem sie erholt erwachte. Bevor sie die Augen öffnete, horchte sie ins Zimmer. Bis auf die schwachen Geräusche der Stadt war es still, doch Marie spürte die Anwesenheit eines Menschen.
»Ich weiß, dass Ihr wach seid.«
Sofort schlug Marie die Augen auf und sah Berthe mit einer Öllampe am Tisch stehen. Sie musste einige Stunden geschlafen haben, denn es war dunkel, und Berthe stellte die Lampe derart auf den Tisch, dass der schwache Schein ihr Gesicht nur unzureichend beleuchtete. Die bösen Augen der Ordensschwester lagen im Schatten, doch spürte Marie, dass sie prüfend auf ihr ruhten.
Marie drehte sich auf die Seite und gab vor, aufstehen zu wollen, ließ sich jedoch in die Kissen sacken. »Mir ist schlecht, und ein Schwindel plagt mich. Was hast du mir gegeben?«
»Dass sich die Rollen so umkehren, hättet Ihr nicht erwartet, nicht wahr, Frau Hochwohlgeboren?«, ätzte Berthe.
»Was für ein Orden ist es, der solche Kreaturen wie dich aufnimmt?«
Berthe trat ans Bett und schlug ihr mit der flachen Hand hart ins Gesicht, wobei sie darauf achtete, dass sie die unverletzte Seite wählte. »Hütet Eure Zunge! Hier bin ich die Herrin!«
Der Schlag schmerzte, aber er bewirkte, dass Marie schlagartig hellwach war. Sie verbiss sich eine zynische Erwiderung, denn Berthe war in der besseren Position. »Hast du Gräfin von Larding vergiftet? Du kannst es mir sagen, denn ich glaube nicht, dass ich dieses Haus lebend verlasse, oder täusche ich mich?«
»Andere würden um ihr Leben flehen und Ihr wollt wissen, ob ich die Frau meines Herrn vergiftet habe?« Berthe strich den eng anliegenden Schleier glatt, der ihr schmales Gesicht einfasste, und trat in den Schatten neben der Tür. »Ja. Der Herr wollte es so. Und sie hat es verdient!«
Marie konnte nur den Mund der Giftmischerin sehen, während er die bösen Worte ausspie.
»Sie war ein hochfahrendes Weibsbild! Boshaft und niederträchtig zu allen, die ihr dienen mussten. Der Herr hat sie wahrhaftig geliebt, aber sie hat das ausgenutzt und seine
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