Blut und Kupfer
sehnsuchtsvoll zur dampfenden Fleischschüssel, denn Wildschweinragout gab es nur selten.
»Arme Elisabeth. Sie ist doch noch viel zu klein, um allein essen zu können«, kam Marie dem Kind zu Hilfe.
»Bring sie fort! Worauf wartest du?«, fauchte Eugenia die Dienerin an, die das schreiende Kind vom Stuhl riss und aus dem Raum zerrte. »Wenn Ihr selbst einmal Kinder habt, dürft Ihr es besser machen. Bis dahin gebt keinen Rat, wo er nicht gebraucht wird.«
»Verzeiht, Schwägerin. Wie steht es denn um Eure Exerzitien? Ich finde es bewundernswert, mit welcher Hingabe Ihr sie mit dem Pater übt«, sagte Marie süffisant.
Eugenia stach die Gabel in ein Stück Pastete und schien etwas erwidern zu wollen, doch der Pater kam ihr zuvor. »Wir bevorzugen den Ausdruck ›geistliche Übungen‹ für unsere Bemühungen, Gott näherzukommen.« Der Jesuit lächelte milde und trank einen Schluck Wein. Er war schlank, entsprach aber nicht dem Bild eines religiösen Asketen.
»Bisher hatte ich noch keine Gelegenheit, mich eingehend mit den Mysterien Eurer Gemeinschaft zu befassen, Pater. Wie darf ich mir eine solche Übung vorstellen?« Marie stellte die Frage nur, um ihren Bruder zu verärgern, der bereits angewidert die Augen verdrehte und sich Rotwein nachschenken ließ.
Pater Hauchegger leckte sich die vollen Lippen und schob sich einen Bissen Fleisch und einen Löffel Rübenmus in den Mund, bevor er sich über seine schwarze Soutane strich und antwortete: »Nun, es gibt verschiedene Wege, sich Gott zu nähern. Es würde zu weit führen, hier die Erleuchtung und Erwählungserfahrung unseres geistigen Vaters, des verehrten heiligen Ignatius, darzulegen.«
Während der Jesuitenpater sich über die Ziele und Methoden seines Ordens ausließ, betrachtete Marie den edlen Stoff seiner Soutane. Der Schnitt war gerade wie bei einem gewöhnlichen katholischen Geistlichen, doch waren die Knöpfe und Paspelierungen von feinster Machart, und ein schwerer Goldring schmückte die Hand des Paters. Es war allgemein bekannt, dass die Jesuiten es sich wohlergehen ließen in ihren großzügig angelegten Ordenshäusern und den dazugehörigen Villen. Die Societas Jesu hatte sich bereits unter Herzog Maximilians Vater, Wilhelm V., in Bayern eingenistet und mehrere Ordenshäuser und Kirchen gegründet. Sankt Michael in München war die größte Jesuitenkirche. Ihre Gymnasien und Universitäten brachten gelehrte Geister hervor, und es wurden stetig Schulen für die Armen gegründet. Krankenseelsorge und Katechismusunterricht gehörten zu den Aufgaben der Jesuitenpatres, doch sie waren auch Hofbeichtväter und berieten nicht nur Herzog Maximilian, sondern auch jeden anderen katholischen Fürsten. Und das, fand Marie, machte sie zu äußerst einflussreichen Geistlichen.
»… und wir bereiten nun unsere Seele darauf vor, alle ungeordneten Anhänglichkeiten zu entfernen, um also den göttlichen Willen in der Einstellung unseres Lebens und zum Heil der Seele zu suchen. Dieser Vorgang des Suchens hängt vom Empfangenden ab und kann Tage, Wochen oder gar Monate dauern«, erklärte Pater Hauchegger.
»Monate?«, kam es von Albrecht, der seiner Frau einen ärgerlichen Blick zuwarf.
Eugenia sagte rasch: »Ich bin schon recht weit vorangeschritten in meiner Erbauung, nicht wahr, Pater?«
Der Pater machte ein schmatzendes Lippengeräusch. »Ihr seid eine sehr aufmerksame Gläubige, welche die Übungen mit großer Demut empfängt und demzufolge innerhalb der angelegten vier Wochen eine Läuterung ihrer Seele erfahren sollte.« Er hob sein leeres Glas und ließ einen Diener vom kräftigen Rotwein nachgießen. Danach lud er beherzt eine große Portion Fleisch und eingelegte Gurken auf seinen Teller.
Doktor Kranz nutzte das Schweigen des essenden Paters. »Ich überbringe Euch Grüße Eures Bruders Georg, der zum Sekretär von Doktor von Donnersberg ernannt worden ist.«
»Donnersberg ist Mitglied des Geheimen Rates oder nicht?«, fragte Marie.
»Oberstkanzler!«, betonte Kranz. »Donnersberg leitet die Geschäfte und die Korrespondenzen der Herzoglichen Durchlaucht und ist der bedeutendste Mann am Hof. Georgs Ernennung ist ein großer Karrieresprung und bringt ihn einem Hofratsposten näher. Natürlich muss er sich erst bewähren.«
Albrecht runzelte die Stirn. »Warum sollte Georg das nicht? Er ist ein fähiger Sekretär!«
»Kein Zweifel, doch sein Ruf ist nicht ganz untadelig, und Ihr wisst selbst, was der Herzog von moralischen Verfehlungen hält
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