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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
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erkundigte sich Marie zaghaft.
    Gisla hatte ihre Hände in den überlangen weiten Ärmeln ihrer Kukulle versteckt, die glockenförmig bis auf den Boden fiel. »Ich habe ihn geliebt.« Ein Seufzer entrang sich der alten Frau, und sie warf Marie einen Blick voller Sehnsucht und Bedauern zu, der sie zutiefst berührte.
    »Ihr wart einem anderen versprochen? Ich weiß, dass Remigius nie geheiratet hat.«
    »Meine liebe Marie, wenn Ihr mir die private Anrede erlaubt?«
    Marie nickte.
    »Meine Liebe wurde nicht erwidert.«
    »Aber … Ihr müsst einmal sehr schön gewesen sein!«
    Gisla lachte bitter auf. »Meine Schönheit war mir Fluch und Segen. Vielleicht wäre ich eine andere geworden, wenn mein Äußeres mir nicht Türen geöffnet hätte, die besser verschlossen geblieben wären.« Eine Taube landete vor ihnen im Gras und begann, in dem feuchten Boden zu picken. »Die Vögel haben ein so friedvolles Leben. Ich konnte Remigius’ Liebe nicht gewinnen, weil sein Herz einer anderen gehörte, und die Ironie daran ist, dass diese Frau verheiratet und über die Maßen tugendhaft war. Sie wäre eher gestorben, als ihrem Mann Schande zu bereiten, und dennoch hat sie Remigius geliebt.«
    »Wie traurig. Ein ganzes Leben voller unerfüllter Sehnsüchte«, sprach Marie leise und dachte an Ruben.
    »Die Frau starb jung, und ich hegte die berechtigte Hoffnung, dass Remigius sich mir nun zuwenden würde, doch er vergrub sich in seine Experimente, widmete sich ganz seiner Handwerkskunst und der Suche nach …« Hier brach sie unvermittelt ab und warf Marie einen prüfenden Seitenblick zu.
    »Da Pescias Tafeln«, vervollständigte Marie den Satz. »Remigius hat mir eine gezeigt. Sie ist wundervoll, aber mir scheint, dass sie nur Unglück bringt.«
    »So ist das immer mit großen Geheimnissen. Sie rauben dem Suchenden die Lebenskraft, verzehren den Wissbegierigen mit dem Feuer der Ungewissheit, bis er sich dem Kern nähert, und dann?« Sie machte eine wegwerfende Bewegung. »Was hätten uns große Erkenntnisse jemals gebracht außer Leid, Neid, Hass und Zerstörung?«
    Die Züge der Ordensschwester verhärteten sich und offenbarten Marie das Gesicht einer Frau, die zu großer Leidenschaft fähig war. Eine bewundernswerte, starke Frau, dachte Marie, und eine Frau, deren Vergangenheit mit Sicherheit mehr als ein dunkles Geheimnis barg. Sie hatte nicht weiter nach der Tafel gefragt, fiel es Marie ein, doch Gisla kam ihr auf überraschende Weise zuvor.
    »Ich habe Remigius das verfluchte Ding gesandt. Er hat mir einen Gefallen getan und ich ihm. Jetzt schulde ich ihm nichts mehr«, sagte Gisla und erhob sich schwerfällig.
    »Ihr?« Erschrocken musterte Marie die alte Ordensschwester. Im Kreuzgang auf der anderen Seite des Gartens entstand Bewegung. Die Tertiarinnen machten sich auf den Weg ins Refektorium.
    »Begleitet mich zum Essen, Marie. Es ist besser, als zu erwarten wäre. Aber man darf nicht vergessen, dass fast alle, die hier leben, großzügige Stifterinnen sind.«
    Stumm erhob sich Marie und folgte der Ordensschwester wie eine an Fäden gezogene Marionette, denn ihre Gedanken kreisten unaufhörlich um die unerhörten Neuigkeiten. Als sie den Speisesaal des Ridlerklosters betraten, der mit farbenfrohen Wandmalereien und kostbaren Wandteppichen überraschte, war Marie zu dem Schluss gelangt, dass ihr erzwungener Aufenthalt bei diesen Ordensdamen eine Fügung des Schicksals sein musste.
    Nach dem Essen zogen sich die Damen in ihre Zellen zurück, und Marie blieb mit ihren brennenden Fragen an Gisla allein. Da sie das Bedürfnis nach Gesellschaft verspürte und nicht untätig in ihrer Kammer auf eine Vorladung in die Residenz warten wollte, machte sie sich auf den Weg in die Krankenstation.
    Ein mausgraues Wesen mit einem Arm voller Leinentücher und einem Sack voller schmutziger Lappen huschte an ihr vorbei, und Marie dachte an die Einweisung der Oberin, sich bei Bedarf nach einer Kammerdienerin an die Hausvorsteherin des Gästetrakts zu wenden, denn an- oder auskleiden konnte Marie sich schwerlich allein. Sie betrat die Krankenstation durch die Türen im Erdgeschoss und wäre fast über den Feudeleimer einer Magd gestolpert, die eine Lache Erbrochenes aufwischte. Der säuerliche Gestank hing schwer in der Luft und mischte sich mit dem von geronnenem Blut und Exkrementen. Marie wich zurück, als hätte sie einen Schlag ins Gesicht erhalten, denn unwillkürlich wurde sie an den Anschlag auf sie auf Gut Kraiberg erinnert.
    Eine der

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